Der 11-jährige Kevin-Thorwald aus Fräulein Lutschmüllers Klasse leidet unter Lese-Rechtschreibschwäche sowie dem Borderline-Syndrom, aufgrund dessen er stets Punktabzug wegen fehlendem Rand bekommt. Die graphologische Abteilung kommt zu dem Schluss, er interessiere sich für die Magie des Zinseszinses, die Onkel Bdolf den Kindern, die ja unsere Zukunft sind, gerne erläutert.
Lieber Kevin-Thorwald,
ganz allgemein gesprochen ist es natürlich „dufte“ – verzeih mir bitte, wenn mein Jugendjargon – pardon: -slang – nicht ganz „up to date“ ist, wie man ja heute immer noch sagt – wenn sich ein noch so junger Mensch wie Du (ich darf doch „Du“ sagen – wir sind ja – sozusagen – „unter uns“) sich so Gedanken um Währung, Wachstum und – nicht zuletzt – Perspektiven macht.
„Dumme Fragen“, da waren sich die Weisen aller Zeitalter überraschend einig, gibt es nicht, höchstens dumme Antworten, wenn ebendiese versagen, deswegen sei speziell die heranwachsende Jugend ausdrücklich ermuntert, ihr hoffnungsfrohes Gehirn – zum Fragen einzusetzen!
Darum: willkommen im Club!
Bei der Schilderung Deines Denkprozesses hast Du Dich eines Stilmittels bedient, das man seit der Weimarer Klassik so benennt: „Vom Besonderen (Währung … ) zum Allgemeinen (Mathematik)“.
Für die Antwort wird der Lichtwolf® den umgekehrten Weg gehen:
Also – erst mal die Mathematik –
In der Mathematik bezeichnet man als Exponentialfunktion eine Funktion der Form
mit der reellen Basis (oder auch Grundzahl)
In der gebräuchlichsten Form sind dabei für den Exponenten x die reellen Zahlen zugelassen. Im Gegensatz zu den Potenzfunktionen, bei denen die Basis die unabhängige Größe (Variable) ist, ist bei Exponentialfunktionen die Variable der Exponent (auch Hochzahl) des Potenzausdrucks. Darauf bezieht sich auch die Namensgebung. Exponentialfunktionen haben in den Naturwissenschaften, z. B. bei der mathematischen Beschreibung von Wachstumsvorgängen, eine herausragende Bedeutung.
Als die Exponentialfunktion im engeren Sinne (präziser eigentlich natürliche Exponentialfunktion), bezeichnet man die e-Funktion, also die Exponentialfunktion
mit der eulerschen Zahl
e = 2,7182818284590452353602874713526624977… als Basis; gebräuchlich hierfür ist auch die Schreibweise
Unter Verwendung des natürlichen Logarithmus lässt sich mit der Gleichung
jede Exponentialfunktion auf eine solche zur Basis e zurückführen.
So viel also zur Frage, was denn „exponentiell“ bedeuten mag.
Wenn Du – weil Deine Generation ja quasi alle möglichen „Schwächen“ (Lese-Rechtschreibschwäche, Rechenschwäche usf.) „eingebaut hat“ – es etwas leicht fasslicher und kürzer haben magst, nutze folgende Verbindung ins Weltnetz:
www.youtube.com/watch?v=bWIauQEJIMU
Was den zweiten Teil Deiner Fragestellung angeht: Im praktischen Leben begegnen wir derartigen Phänomenen ständig. Bevor ich weiter aushole, beantworte bitte folgende Denksportaufgabe: Gegeben sei ein Seerosenteich. Das Wachstum der Seerosen verlaufe wie folgt: Alle 24 Stunden (zur Verdeutlichung=1 Tag) verdoppele sich die durch die Seerosen belegte Seefläche. Nach dreißig Tagen sei die Hälfte des Sees mit Seerosen bedeckt.
Wie lange dauert es, bis die zweite Hälfte des Sees mit Seerosen zugewuchert sein wird?
Wenn Du diese Denksportaufgabe lösen kannst, hast Du das Wesen des Phänomens des exponentiellen Wachstums hervorragend verstanden …. !
Die zweite Hälfte ist – zugegebenermaßen – schwieriger.
„Währung“ stellt selbst sogenannte „Experten“ immer wieder vor tiefgründige Rätsel.
Das kommt daher, dass der Begriff „Wissenschaften“ ein durchaus dehnbarer ist – und manche sagen, „Wirtschaftswissenschaften“, das sei wie Wettervorhersage am Tag danach …
Und da mag was dran sein. Die Einführung des Euro war ein politisches – nicht primär wirtschaftlich motiviertes – Ziel. Viele Leute, aber nach dem erwähnten Bonmot wirst Du verstehen warum, sagten – so was ginge gar nicht – Volkswirtschaften (das sind die Staaten wirtschaftlich betrachtet) so fundamental unterschiedlichen Zuschnitts könnten nie und nimmer unter ein einheitliches Währungsregime… Was wir nun erleben, und das ist der Grund, warum Du und die Generationen nach Dir – keine Zukunft haben – verschiedene nationalstaatliche Leistungsfähigkeiten werden über einen Leisten gehobelt – und darum passt das alles nicht mehr zusammen …
Wenn Du älter wirst, wirst Du verstehen, warum sogenannte Inflationsangaben allesamt schwer (schwer!) geschönt sind, warum Menschen immerfort lügen, warum alles menschliche Handeln Interessen folgt und warum DU ganz generell im ARSCH bist –
Aber bis dahin ist es ungemein von Vorteil, wenn Du
a.) generell fleißig & ein guter Schüler bist –
b.) Dir weiterhin einen EIGENEN Kopf machst –
c.) verstehst, dass Dir nie nich’ jemand einen reinen Wein einschenken wird, wenn DU (!) es DIR (!) nicht selber tust –
Deswegen wünscht Dir einen weiterhin kritischen und regen Lebensweg –
Dein
Onkel Bdolf
Lichtwolf Nr. 40 („Zahlen, Ziffern und Nummern“)
Grundrechnen, Zählen und Bezahltwerden, Schulnoten sowie die 16 besten Zahlen zwischen 0 und 9 plus unendlich werden in diesem 90-seitigen DIN-A4-Paperback durchdacht, außerdem Bergwerksdichtung sowie Roman vs. Kurzgeschichte.
Details /
Bestellung Inhaltsverzeichnis
- Einleitung ins Titelthema: Zahlen, Ziffern und Nummern
- Propädeutikum und Prolegomena zum Thema „Zahlen, Ziffern und Nummern“
- Weißt du, wie viel Sternlein stehen
- Wer zahlt, Du zahlst, Erzählung
- Referenzpunkte im Chaos
- Kein Anschluss unter dieser Nummer
- Zählbarkeit statt Subjektivität und Existenzerfahrung
- Der Lichtwelpe: Zinsgewinne
- „Eigentlich wollte ich was mit Buchstaben machen“
- Ökologische Lehrfabel
- Subtraktion statt Subversion
- Kolchosmose in Stützistan
- Ausgegründetes Sonett mit Bedarfsgemeinschaft
- Es hartzt so hartz
- Notennot
- Zahlen, bitte!
- Was ein Wort ist
- Bewusstsein binärer Beliebigkeit
- Im Plattenladen
- Das Geheimnis der Schönheit
- Die besten Zahlen zwischen 0 und 10
- Das Dezimalsystem – Segen oder Fluch?
- Das Gerede vom Herbst 2012
- Kurz & Klein 40
- Pro Domo et Mundo 40
- Wo kein Professor zu Handen, …
- Wann hört man auf zu fragen?
- Zur Verteidigung des Romans