Was sind das nur für Leute

von Timotheus Schneidegger, 06.01.2012, 14:08 Uhr (Neues Zeitalter)

 

Den Zuschauern des Kasperletheaters bleibt bloß die schale Hoffnung, die Politkaste möge sich den Fall Wulff eine Lehre sein lassen und sich künftig nicht mehr in die Hände der BILD zu begeben. Aber da war doch noch was anderes in der hiesigen Politik als der Osnabrücker Kreissparkassenleiter, den ein grausames Schicksal (nebst Kanzlerin, Ehrgeiz sowie BILD) ins höchste Staatsamt befördert hat: Genau, die FDP, die durch ihr Dreikönigstreffen sowie dadurch, die Regierungsbeteiligung auch im Saarland durch interne Querelen verloren zu haben, heute für Abwechslung in den Nachrichten sorgt.

Politologen sind seit Mitte Dezember samt und sonders damit beschäftigt, Kommentare zum Bundespräsidenten abzugeben. Darum nimmt es kaum wunder, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, den Abstieg der FDP mit dem Aufstieg der Piraten-Partei in einen nicht nur zeitlichen Zusammenhang zu stellen.* Beide sind klassische Freiberufler-Parteien, nur würden neben den Social-Media-Beratern und Urheberrechtsbloggern neuerdings auch Steuerberater und Rechtsanwälte eher Piraten als FDP wählen. Bei zwei Prozent sind die (alten) Liberalen inzwischen angekommen und im Prinzip so fertig, dass es sich nicht mehr gehört, sie zu verspotten. Die Zahlen jedoch zeigen, dass 2 % bei der Sonntagsfrage eine ganze Menge Menschen sind:

Wahlberechtigte BTW09 (absolut): 62.168.489

Wahlbeteiligung BTW09 (prozentual): 70,78 %

Wahlbeteiligung BTW09 (absolut): 44.005.575

Zweitstimmen für die FDP 2009 (prozentual): 14,6 %

Zweitstimmen für die FDP 2009 (absolut): 6.316.080 (Zahlen bis hier: Bundeswahlleiter)

Mitgliederzahl der FDP 2009 (absolut): ca. 70.000 (ZEIT)

Sonntagsfrage FDP 2011 (prozentual): 2 % (ZEIT)

Sonntagsfrage FDP 2011 (absolut): 865.216 (nach obigen Zahlen gerechnet)

Mitgliederzahl der FDP 2011 (absolut): 63.416 (n-tv)

 

Das heißt, dass jedes FDP-Mitglied es irgendwie schafft, zusätzlich zu seiner Stimme noch 13 andere Wahlberechtigte von seiner Partei zu überzeugen. Er ist also noch lange nicht tot, der Gelbliberalismus, es riecht nur streng.

 

 

Lichtwolf Nr. 30*) Treue Lichtwolf-Leser wissen natürlich, dass Ihr Fachblatt für Dinge in Zusammenhängen aus Gründen schon im Sommer 2010 die Piraten-Partei als radikalliberale Konkurrenz der FDP ausmachte, der es damals allerdings – wie aus dem Text hervorgeht – etwas besser ging: „Noch passen der Liberalismus von FDP und Digitalkultur noch nicht zusammen. Doch irgendwann werden auch Piraten zu groß, um Politik zu spielen, und wechseln für ein paar Prozent mehr zur FDP. Und wenn die Ideologie der Digitalkultur erstmal erwachsen ist, wird sie einen schönen neuen Marktradikalismus für eine Informationsgesellschaft nach gut deutsch kryptofeudalem Vorbild abgeben. Die FDP hat bereits einen eigenen Landesverband Internet.“ (Schneidegger, Timotheus: „Grow the fuck up“, in: Lichtwolf Nr. 30 („Erwachsene“), S. 10-14, hier: S. 14)

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