Wir sind die Universität!

von dr faustus und Timotheus Schneidegger, 20.04.2007, 14:43 Uhr (Freiburger Zeitalter)

Große, blaue Fahnen mit dem Feierlogo, das eine Münchner Werbeagentur entwarf, wehen vor den universitären Gebäuden, die größte von allen hängt am Rektorat der nunmehr 550 Jahre alten Freiburger Albert-Ludwigs-Universität: „Freiburg – Wir sind die Universität“. Nicht zufällig gerade dort. Schließlich wird von der Administration das Uni-Jubiläum programmatisch, bürokratisch verwaltet und begeisternd gesteuert.

Wir sind die Universität.

Wir feiern.

Uns.

Mit Kongressen, Forschungstagungen, Studiengebühren, der Uraufführung eines Oratoriums Wolfgang Rihms und dem Besuch des Dalai Lamas (als Papstersatz) hat die Verwaltung weder Kosten noch Mühen gescheut, das Jubiläum so zu feiern, wie man es aus den ehemaligen Staaten des demokratischen Zentralismus kennt: Zwangsbeflaggung, zwangsfröhliche Gesichter – und unter Ausschluß des murrenden Volkes.

Daß Studenten in den Planungen kaum vorkommen stimmt merkwürdig. Zum einen, weil die 2007 ebenfalls ein Jubiläum zu feiern haben. Seit 30 Jahren ist es ihnen nicht nur in Freiburg, sondern an jeder Uni in BaWü und Bayern untersagt, sich in einer Verfassten Studierendenschaft zu organisieren; ihr einziges offizielles Vertretungsorgan ist seither ein AStA, der sich jeden Cent vom Rektorat genehmigen lassen muß, sich nicht politisch äußern darf und deswegen gern als „Kastra“ verspottet wird. 2007 jähren sich damit auch die verschiedenen Organisationsmodelle, mit denen Studierende seit drei Jahrzehnten die Knebelung ihrer süddeutschen Vertretungen umgehen. Der Freiburg u-asta lädt daher am 6.7.07 zu einem „Ehemaligentreffen der Studierendenvertretung“ ein, das gar im offiziellen Veranstaltungskalender des Uni-Jubiläums aufgenommen ist.

Zum anderen weil man mit dem Motto „Wir sind die Universität“ wirbt. Dieses „Wir sind“ erinnert ja nicht zufällig an so dramatische Vorläufer wie „Wir sind das Volk [sic!]“, „Wir sind Weltmeister [sic!]“ oder „Wir sind Papst [sic!]“. Der Unterschied ist allzu deutlich und allzu typisch für die Freiburger Universität, denn jene Wir-Wendungen beziehen sich auf ein wie auch immer entstandenes Gefühl der Verbundenheit von unten, vom einfachen Bürger her. Dieses „Wir sind die Universität“ dagegen ist nur ein schäbiger Euphemismus für „Ich bin die Universität“ des Freiburger Rektors, Prof. Dr. (phil.) Dr. (mult. h.c.) Wolfgang Jäger, der den Pluralis Majestatis nicht nur in seinem Grußwort zum Jubiläum benutzte, das er mit den Worten beschließt: „Wir freuen uns auf die Zukunft! Professor Dr. Wolfgang Jäger – Rektor“

550 Jahre Uni Freiburg

Jubelfahne am Rektorat: Vom blödsinnigen ersten Jubelmotto „Bright minds for a better future“ wurde Abstand genommen zugunsten dieser Ausgeburt an Einfallsreichtum

Was dabei heraus kommt, wenn man eine Feierlichkeit „von oben“ verordnet, kann man in den vor Jubel und Sektlaune strotzenden Artikeln auf der eigens eingerichteten Feier-Subdomain www.jubilaeum.uni-freiburg.de – welche sogar mit einem Link auf das Jubiläums-Wetter aufwartet, als wenn auch dies geplant werden könne! -, sowie dem emotionsneutralen und inhaltsfreien Freiburger Uni-Magazin sehen. Denn Begeisterung kommt dabei nicht auf, weil hier vergessen oder verdrängt wurde, daß, wenn man sich feiert, die anderen nichts zu lachen haben.

Vor allem eben die Studierenden, denen das Land durch die Einführung von Studiengebühren zum Sommersemester 2007 eine kräftige Portion Rheumasalbe ins Sektglas gedrückt hat, und die Anfang des Jahres dazu aufriefen, das Bildungsschutzgeld zu boykottieren. Die Kampagne zum Sturz des Gebührenregimes verschärfte in Freiburg das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen Rektor und der unabhängigen Studierendenvertretung (u-asta), die seit den Protestaktionen gegen Studiengebühren vom Mai 2005, die in der Besetzung der Uni-Verwaltung gipfelten, den Rücktritt des Gebührenfans und selbsternannten Uni-Managers Jäger fordert. Als das Rektorat im Januar klarstellte, jeden, der die zusätzlich geforderten 500 Euro nicht an die Uni-Kasse überweist, zum Sommersemester exmatrikulieren, witterte der u-asta eine gezielte Irreführung des um seine Gebühren bangenden Rektorats.

Als Jäger am 31.01. das universitäre Jubeljahr eröffnete und seine Rede von hartnäckig applaudierenden Studierenden gestört wurde, ging das jedoch auch dem u-asta zu weit, der beschlossen hatte, das Uni-Jubiläum, das etwa 1,2 Mio. Euro kostet und durch unverbindliche Spenden finanziert wird, „kritisch zu begleiten.“ Die Studierendenvertretung will auf diese Weise, statt „vor verschlossenen Türen beleidigt zu schmollen“, ihre Positionen öffentlich machen und sich, so gut es geht, zwischen den offiziellen Jubiläums-„Events“ (hier ist der Anglizismus angebracht) zu Wort melden.

Nach Ostern finden die Internationalen Umwelttage statt, bei denen in der „Umwelthauptstadt“ bzw. „Solar-City“ Freiburg mal wieder von „Nachhaltigkeit“ geredet werden kann. Ein „Fest der Kulturen“ trotz des modernen Multikulti-Bashings wird während der zentralen Festwoche im Juli begangen, in der auch ein „ökumenischer Gottesdienst“ „nicht fehlen darf“, bei dem der frühere Freiburger stud.theo., heutiges Mitglied der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und seit 2001 Kardinal – Karl Lehmann unter Exkommunikationsrisiko predigt. Im September der dreitägige Zukunftskongress über die Rolle der Uni in der Gesellschaft sowie eine Umgestaltung der Uni.

Spätestens hier wird bei Sekt und Lachshäppchen im kleinen Kreis offenbart, wer mit „Wir“ in „Wir sind die Universität!“ gemeint ist und wie schön sich darin das humanistische Mäntelchen einfügt, mit dem die auf Fachkräftezufuhr umgestellte gesellschaftliche Rolle der Uni behängt wird. Deren „Umgestaltung“ umfasst den in diesem Jahr beginnenden Umbau der Uni-Bibliothek, sowie die Verengung der Kommilitonenschaft auf zahlungsfähige Ausbildungskunden und die damit einhergehende Eliten“bildung“.

Im Rahmen der bundesweit ausgelobten „Exzellenzinitiative“ erhielt die Uni Freiburg im Januar mit versprochenen Eliteweihen bereits ein erstes Geburtstagsgeschenk. Die Bemühungen Jägers, seine Uni nach 550 Jahren im Wettbewerb um Fördergelder auf die Hinterbeinchen zu stellen, brachten drei Exzellenzcluster und zwei Graduiertenschulen auf die Siegertreppe: „Ein phantastisches Ergebnis“, so Jäger. Für die Studierenden wird sich dadurch freilich nicht das geringste ändern, lediglich etablierte Professoren und ihre Doktoranden profitieren vom Geldsegen von oben.

Der mittels Studiengebühren erhobene Geldsegen von unten wird enttäuschend ausfallen. Von den an der Uni Freiburg jährlich erwarteten 17 Mio. Euro Gebühreneinnahmen werden 2 Mio. zur Deckung der Verwaltungskosten, sowie als Rücklage einbehalten. Etwa 5 Mio. Euro wird die Uni aufwenden müssen, um Kürzungen und Umschichtungen im Budget aufzufangen. Trotz eines einmaligen Landeszuschusses wird die Uni noch 3 Mio. für gestiegene Heizkosten zusätzlich zahlen müssen – Geld, das bestenfalls irgendwo abgezogen wird, wo Euros aus Studiengebühren die Lücke wieder schließen. Mit dem Rest soll die vielbeschworene, überfällige Verbesserung der Lehre gestemmt werden – fraglich, ob es sich gelohnt hat, dafür den Zugang zu Bildung noch stärker von der Finanzkraft abhängig zu machen und vielleicht sogar gegen völkerrechtliche Abkommen zu verstoßen. In Artikel 13(2c) des „Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“, dem Deutschland 1973 beigetreten ist, verpflichten sich die Unterzeichner zur Gebührenfreiheit im Bildungsbereich. Daraufhin waren in der BRD Schulgeld und Studiengebühren abgeschafft worden. Das am 26.1.05 nach der Verfassungsklage einiger Bundesländer, die dadurch ihre Autonomie verletzt sahen, gekippte bundesweite Gebührenverbot war nach einer Rüge des Kontrollorgans erlassen worden, das die Einhaltung des Paktes überwacht.

Es ist darum kaum nachvollziehbar, wie überrascht deutsche Bildungspolitiker waren, als ihre Arbeit, kaum war das Pisa-Debakel verdaut, kürzlich von einem Sonderberichterstatter des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte an den Pranger gestellt wurde. BaWüs Kultusminister H.Rau fiel auf das Urteil, daß die Bildungschancen in keinem Industrieland so stark von der sozialen Herkunft abhängen wie in Deutschland, nichts besseres ein, als dem costa-ricanischen Inspektor jegliche Kompetenz zur Beurteilung des hiesigen Schulsystems abzusprechen.

Mit den Folgen all dessen wird sich zumindest Rektor Jäger, „unser Backenhörnchen“ (u-asta-info Nr.764), nicht mehr herumschlagen müssen. Das anstehende Uni-Jubiläum markiert den furiosen Schlußpunkt seiner Karriere. Seit 1995 im Amt, wollte und konnte Jäger nach zwei Amtsperioden eigentlich nicht noch einmal antreten, da laut universitärer Grundordnung die „Wiederwahl nur einmal zulässig ist.“ Er wurde aber „von vielen Seiten gebeten“ (Stuttgarter Zeitung,12.02.2003) und ließ sich überreden – allerdings unter der Bedingung, daß er mit niemanden um den Rektorenposten konkurrieren müsse.

Die Umstände der Freiburger Rektorenwahl sorgten 2003 bundesweit für Stirnrunzeln.

Nach der rechtlich notwendigen Ausschreibung der Stelle bewarben sich neben Jäger noch 13 Kandidaten. Die aber erfuhren erst auf Umwegen, gar nicht erst auf die Vorschlagsliste aufgenommen worden zu sein, die statt der vom Universitätsgesetz verlangten drei Kandidaten nur einen einzigen enthielt. Eine Entscheidung, der Ingeborg Villinger, Gleichstellungsbeauftragte der Uni und Lehrstuhlvertretung Jägers, ebenso zustimmte wie der Rechtsberater der Uni, Juraprofessor Thomas Würtenberger, für den das Vorgehen die „Kontinuität einer höchst erfolgreichen Universitätsleitung“ sichern soll.

Der Freiburger u-asta nannte das Verfahren der Rektorfindungskommission „sehr zweifelhaft“, die hiesigen Jusos fragten sich, ob das Vorgehen nun „befremdlich“ oder „schlicht stillos“ sei, und auch der Deutsche Akademikerinnenbund beklagte Form und Stil der Wahl, denn „jene Qualitäten, die heute von einer Universität erwartet werden, nämlich Offenheit, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit finden hier keine Anwendung.“

Da Jäger 2005 die Altersgrenze erreichte, wurde seine dritte Amtszeit auf zwei Jahre beschränkt und endet mit den Feierlichkeiten zum 550jährigen Bestehen seiner Uni. Und als wäre das noch nicht genug, wurde Jäger im März von der Badischen Zeitung, einem der Medienpartner des Jubiläums, für die hauseigene Wahl des Größten Freiburgers nominiert: „Er führte die Uni in den Elite-Zirkel.“

Den Titel GröFraZ (Größter Freiburger aller Zeiten) wird er gern noch mitnehmen und er wäre ihm von Herzen zu gönnen.

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