Aus dem Tagebuch eines Werbefuzzis

von Magister Maier, 18.05.2009, 16:35 Uhr (Neues Zeitalter)

 

Mittwoch, 10. Juni 2009

Habe mir heute Gedanken gemacht. Seit dem Tag vor genau zwei Jahren, an dem ich als Texter in dieser berühmten Frankfurter Werbeagentur anfing, habe ich mich doch ein wenig verändert. Gut, zugegeben, Drogen nahm ich auch schon früher. Aber eben nicht jeden Tag. Und vor allem nicht direkt nach dem Mittagessen. Außerdem ging es damals immer um braunes Harz, nicht um weißes Pulver. Na ja, wenigstens weiß Mama nicht, was ich tagsüber so treibe. Sie denkt immer noch, ich sei jetzt Pianist im Puff.

In der Mittagspause ein kleines Näschen Koks zu mir genommen. Nachmittags sehr gut gefühlt.

 

Donnerstag, 11. Juni 2009

Habe heute eine sehr wichtige Aufgabe bekommen. Sollte mir einen Slogan für einen Stadtteil meiner Heimatstadt ausdenken, nämlich für Frankfurt-Nied. Und zwar, wie der Kunde sagte, irgendwas „total Pfiffiges“. Total pfiffig ist überhaupt kein Problem für mich. Habe „Ficken, Ficken, Ficken“ vorgeschlagen. Der Kunde war etwas irritiert. Wollte mehr Niveau. Niveau ist überhaupt kein Problem für mich. Habe also Alternative vorgeschlagen: „Schon Goethe und Adorno fickten gern in Nied.“ Der Kunde war immer noch irritiert. Wollte noch mehr Niveau. War natürlich überhaupt kein Problem für mich. Der neue Slogan von Frankfurt-Nied, der sich schon bald in ganz Deutschland herumgesprochen haben wird, lautet: „Nied ist irgendwie niedlich.“

In der Mittagspause ein kleines Näschen Koks zu mir genommen. Nachmittags sehr gut gefühlt.

 

Freitag, 12. Juni 2009

Heute Morgen ausführliches Gespräch mit meinem Kreativchef. Schlug ihm vor, die Hälfte meines Gehalts zukünftig in Form weißen Pulvers auszuzahlen. Der Chef war sofort einverstanden. Fragte ihn während des Gesprächs auch scherzhaft, ob ich eigentlich der einzige Hetero in der Agentur bin. Seine Antwort: „Darüber können wir heute Nachmittag im firmen-eigenen Darkroom plaudern.“ So ein verdammter „smart ass“!

In der Mittagspause ein kleines Näschen Koks zu mir genommen. Nachmittags sehr gut gefühlt.

 

Montag, 15. Juni 2009

Heute Morgen Gespräch mit meinem Beratungschef. Fragte ihn ebenfalls scherzhaft, ob ich eigentlich der einzige Hetero in der Agentur bin. Verstand seine Antwort kaum, weil er so nuschelte. Ich glaube, er sagte: „Hmm ja, ja, das ist so eine Sache, das ist wirklich so eine Sache mit den Werbern.“ Irgendwie seltsam, der Kerl!

In der Mittagspause festgestellt, dass das Koks alle ist. Nachmittags gar nicht gut gefühlt.

 

Dienstag, 16. Juni 2009

Heute Morgen Gespräch mit dem Eigentümer der Agentur. Ich achte jetzt verstärkt darauf, dass mein Arsch immer in Richtung Wand zeigt, wenn ich einem Kollegen begegne.

In der Mittagspause ein kleines Näschen Koks zu mir genommen. Und dann noch eins, weil gestern ja nichts da war. Nachmittags sehr gut gefühlt.

 

Mittwoch, 17. Juni 2009

Juhuu, mein Art-Director und ich haben eine neue Praktikantin bekommen. Es handelt sich um eine breitbrüstige Adlige namens Anja, die Kommunikationsdesign studiert und nun ihr Pflichtpraktikum bei uns absolvieren möchte. Irgendwie erinnert sie mich an jemanden, aber mir will partout nicht einfallen, an wen. Kann der Konsum von Kokain etwa zum Gedächtnisverlust führen?

In der Mittagspause etwas ausprobiert und ein bisschen LSD zu meinem üblichen Menü hinzugefügt. Nachmittags sehr aufschlussreiches Gespräch mit meinem iMac geführt. Er ist in Wahrheit ein verzauberter Rasenmäher und hat sich unsterblich in mich verliebt.

 

Donnerstag, 18. Juni 2009

Die neue Praktikantin verriet mir heute, dass sie eine echte Komtesse ist. Ich hatte bisher immer gedacht, „Komtesse“ sei ein französischer Weichkäse, aber das scheint nicht zu stimmen. Anja behauptet jedenfalls steif und fest, die Tochter eines Grafen zu sein. Wenn ich nur wüsste, an wen sie mich erinnert. Ist sie vielleicht Komtesse Zahl, die Tochter von Graf Zahl? Oder Komtesse Koks, die Tochter von Graf Koks?

Apropos Koks: In der Mittagspause ein kleines Näschen Koks zu mir genommen. Auf das LSD verzichtet, weil ich auf gar keinen Fall einen Rasenmäher heiraten möchte.

 

Freitag, 19. Juni 2009

Schon am dritten Tag ihres Praktikums konfrontierten wir Anja mit den kreativen Höchstleistungen, für die wir Werber von unseren Mitmenschen so sehr bewundert werden. Ich stieg ein mit einem echten Klassiker: „Weißt Du, Anja, ich bin jung und ich bin platt – ich will zu Jung von Matt.“ Mein Art-Director konterte auf ähnlich hohem Niveau: „Und ich bin hier so ’ne Art Direktor, hihi.“ Jaja, die Werbung, ein groovy Business für crazy People!

Anja konnte aber gar nicht lachen über uns zwei verrückte Hühner. Außerdem wirkte sie den ganzen Tag über total geistesabwesend. Sie wird doch wohl nicht von meinem Koks genascht haben!

Habe das Zeug in der Mittagspause sicherheitshalber weggeschlossen – natürlich nicht, ohne zuvor ein paar kleine Näschen zu mir zu nehmen. Nachmittags sehr gut gefühlt.

 

Montag, 22. Juni 2009

Habe das ganze Wochenende in der Agentur verbracht, um einen neuen Slogan für einen sehr bekannten Hersteller von Büromaterial zu entwickeln. Habe einen gefunden, der mich auf jeden Fall berühmt machen wird: „Leitz ist geil!“

Mein Kopf ist heute völlig zugedröhnt. Vielleicht hätte ich wenigstens auf das Gute-Nacht-Näschen verzichten sollen. Ich werde aufhören. Ich muss jetzt wirklich damit aufhören. Nicht mit dem Koksen natürlich, das gehört nun einmal zu meinem Beruf. Aber mit diesem Tagebuch.

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