Antworten des Katholizismus

von Augušt Maria Neander, 15.06.2005, 12:47 Uhr (Freiburger Zeitalter)

Die geschätzte Kollegin (n mal k)² stellte in Ausgabe 15 dieser Zeitschrift einige Fragen an den Katholizismus (cf. 1). Auch wenn der Autor dieser Replik weder Lehr- noch Hirten- oder gar Priesteramt für sich in Anspruich nehmen darf, wird hier der Versuch einer Antwort skizziert (cf. 2, 900).

(n mal k)² hebt an mit der allfälligen Kritik am medialen Echo des Todes unseres Heiligen Vaters Johannes Pauls II. (Anm.: Auf die Roboterthese gehe ich im folgenden nicht ein. Inwiefern die Selbstbezeichnung Benedikt XVI. als „einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn“ in russischer Übersetzung diese These stützen könnte, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden.)

Die versprochene Generalabrechnung mit dem Katholizismus reduziert (n mal k)² im folgenden auf den exemplarisch benutzten Gebrauch von Weihwasser in der Liturgie.

Auf den Axiomen aufbauend, daß Weihwasser nur in der Osternacht geweiht werden könne und damit im Laufe des (Kirchen-)Jahres Versorgungsengpässe aufträten, wird die Conclusio abgeleitet, der Katholizismus habe generell ein Defizit an „gesundem Menschenverstand“, der sich an eben diesem Weihwassermangel zeigen würde.

Zunächst ist der Obersatz zu bezweifeln: Weihwasser kann nicht nur in der Osternacht geweiht werden; im Normalfall geschieht das bei Bedarf jeden Sonntag. Nur in der Osternacht wird in der Tat allerdings das Taufwasser geweiht, das in weit geringerer Menge benötigt wird als das zu vielfältigen, ursprünglich rein lustrativen, später auch allgemein an die Taufe erinnernden Handlungen verwendete Weihwasser. Strecken ist also nicht notwendig.

Nachdem der Obersatz widerlegt ist (wenn auch mit der zugegebenermaßen pedantischen Unterscheidung von Taufwasser und Weihwasser), fällt die These (n mal k)²s zwar in sich selbst zusammen. Dennoch griffe die Argumentation auch bei formaler Korrektheit des Syllogismus nicht. (n mal k)² bemerkt ganz richtig die zunächst kontraintuitive und unpraktische Anwendung der Liturgie. Dabei übersieht sie allerdings deren eigentlichen Zweck und den symbolhaften Charakter. Eine Kritik, die formell so richtig wie inhaltlich falsch ist. Der Jesuit Walter Heck hierzu in (3): „Im Sinn von effektiver Arbeit kommt dabei natürlich nichts heraus; Liturgie ist völlig zwecklos, aber höchst sinnvoll!“

Dieser Sinngehalt ist das eigentlich wichtige an der Weihwasserproblematik; die heilspendende Gegenwart des logos, bzw. der pneuma, die nach einem reinigenden Exorzismus und einer Epiklese noch verdeutlicht wird durch das Einsenken der Osterkerze und das Eingießen von Chrisam, hat eben nichts mit einer hypothetischen zeitlich begrenzten Wasserlöslichkeit des Heiligen Geistes zu tun, sondern mit zwei grundsätzlichen anthropologischen Konstanten, die der Katholizismus im Gegensatz zur szientistischen Moderne nicht verleugnet: den Wert von Tradition und die Einsicht in die Unvollkommenheit des Menschen.

Die Kirche behauptet in der Tat nämlich gerade nicht, das Wissen für sich gepachtet zu haben, geschweige denn, es überhaupt in seiner Gänze zu kennen. Der weitaus meiste Teil der Wahrheit ist den Menschen – und damit der Kirche – nicht bekannt; nicht umsonst ist ein zentraler Begriff christlicher Theologie das mysterium fidei, das Geheimnis des Glaubens. (Anm.: Im engeren Sinne ist damit die Eucharistie selbst gemeint, die das bloße „Auffuttern des Messias“ (nach (n mal k)²) transzendiert.)

Es geht gerade nicht um rationalistische Konzepte; ein geweihter Wasserhahn wäre „praktisch“, erfüllte aber die symbolhafte Dimension nicht. Mehr noch: Der Sündenfall der modernistischen Weltanschauung hielte damit Einzug in die katholische Kirche; scheinbarer Steigerung der Praktikabilität würde der Sinn geopfert, der sich in der Tradition zeigt. Liturgie ist damit „a device we have learned to use because our reason is insufficient to master the full detail of complex reality“, wie Friedrich Hayek in (4) in fast thomistischer Argumentation darlegt. (Anm.: Die Parallelen zu der thomistischen Argumentation in der Summa Theologiae, der Mensch könne zwar erkennen, was Gott geschaffen hat, nicht jedoch alles, was er hätte schaffen können, mögen unhistorisch konstruiert sein, illustrieren jedoch gut die Verbindung moderner Sozialwissenschaft mit katholischer Lehre.)

Hayek schreibt in der Tat nicht über Theologie, sondern über Regeln im sozialen Gefüge im Allgemeinen. Die Liturgie und generell die Tradition im Katholischen sind aber exzellente Beispiele für derartige Regeln: Scheinbar kann man Instrumentarien entwerfen, die besser mit der Realität umgehen können und die im Rahmen eines rationalistischen und szientistischen Weltbilds besser zu funktionieren scheinen. Tatsächlich aber verdeckt man damit nur die tatsächliche begrenzte Einsichtsfähigkeit des Volkes.

(Die Antwort auf die Frage der Jungfrauengeburt kann nach diesem Schema ähnlich verlaufen; die theologische Ausgestaltung dieser Frage findet sich in (2), 487ff.; die Frage, ob Johannes Paul II. wirklich ein „Papst der Jugend“ gewesen ist, wird auch innerhalb der Kirche kontrovers diskutiert.)

(n mal k)² schließt mit der Feststellung, man könne alles Darstellbare auch anbeten und gipfelt im programmatischen Aufruf „Dem Volk sein Opium!“. Beides trifft gerade nicht auf den Katholizismus zu: Katholiken beten nur Gott an, und der Aufruf ist auf die szientistische Sicht – oberstes Prinzip des Szientismus ist der naturalistische Fehlschluß – weit besser gemünzt als auf den Katholizismus.

(1) (n mal k)²: Fragen an den Katholizismus, in: Lichtwolf Nr. 15, 4. Jahrgang (2005), Ausgabe 2, S. 27-28.

(2) Ecclesia Catholica (Hrsg.): Katechismus der Katholischen Kirche. München, Wien, Leipzig, CH-Freiburg 1993.

(3) Heck, Walter: Liturgie – zwecklos, aber höchst sinnvoll, in: Jesuiten, 56. Jahrgang (2005), Nr. 1, S. 11.

(4) Hayek, Friedrich August von: Law, Commands, and Order, Chicago 1960, S. 66.

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