Wittgenstein, Hitler und der Schürhaken

In der neuen Serie „Philosophie und Popkultur“ treffen zwei Diskurse aufeinander. Hier wird klargestellt, dass auch Hochkultur dreckige Wäsche trägt und im Trash zu wühlen die Verpackung manch großen Gedankens zu Tage fördert. Eröffnet wird die Reihe mit dem Elvis Presley des linguistic turn: Lu Wittgenstein.

„But Duris says that (Socrates) was a slave,
and employed in carving stones.
And some say that the Graces in the Acropolis
are his work; and they are clothed figures.“
– Diogenes Laertius

von IPuP-Press, 08.09.2009, 14:59 Uhr (Neues Zeitalter)

Philosophen gibt es, seit es Philosophie gibt. Und mit ihnen verbunden auch immer ein Leben, ein Bündel von Handlungen. Der Name eines Philosophen referiert darauf genauso wie auf die von ihm formulierte Philosophie. Ist es daher notwendig, ein philosophisches Werk stets im persönlichen Kontext seines Urhebers zu betrachten? Jene, die den Autoren schon längst unter der Erde sehen, würden das vermutlich verneinen. Aus ihrer Perspektive heraus könnte man das Leben eines Philosophen auch auf die Formel: „Er lebte – Er dachte – Er starb.“ (Heidegger über Aristoteles) reduzieren. Aus der Nichtnotwendigkeit lässt sich jedoch nicht ableiten, dass es keinen Spaß machen könne, sich den Lebenswegen der großen Köpfe anzunähern und dort nach Kuriositäten und Leichen im Keller zu schauen. Tatsächlich ist von einigen der Alten kaum mehr als Anekdoten überliefert.

Zu verdanken ist dies Diogenes Laertios, der im 3. Jahrhundert nach Christus in seiner zehnbändigen Schrift „Über Leben und Lehren berühmter Philosophen“ auch die ein oder andere unschmeichelhafte Episode von Sokrates & Co. erwähnt. Diese Episoden bei den modernen Stars des Philosophen-Hollywoods, (oder – für die, die es bürgerlich mögen – bei den Göttern des Philosophen-Olymps) aufzusuchen, soll ein Ziel der Serie Popkultur der Philosophen sein. Unterscheiden sich die Liebesdramen zwischen Heidegger und Arendt, die Drogenexzesse eines Sartre, die schopenhauerschen Hegelpöbeleien von dem, was die Yellow Press tagtäglich über Kate Moss, Madonna oder Kid Rock schreibt? Oder umgekehrt: Wo tauchen Motive eines Philosophen oder gar sein Leben selbst in Filmen, Büchern, Musik, letztlich dem gesamten Potpourri der Popkultur auf? Diese Fragen sollen als Grundlage dienen, um sich der Person des Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein anzunähern.

Als Hauptwerke des 1889 in Wien geborenen Österreichers gelten der „Tractatus Logico-Philosophicus“ von 1921 und die „Philosophischen Untersuchungen“, welche jedoch erst nach seinem Tod im Jahr 1951 veröffentlicht wurden. Das einzig andere von ihm zu Lebzeiten veröffentlichte Werk ist das in seiner Zeit als Lehrer entstandene Wörterbuch für Volksschulen.

Der Tractatus ist ein klar durchstrukturiertes Werk. Wittgenstein formuliert sieben Sätze, auf die er jeweils durchnummerierte Ergänzungen folgen lässt. Die auf den ersten Blick einleuchtend, daher trivial wirkenden Aussagen („§ 1. Die Welt ist alles, was der Fall ist.“) entfaltet er zu einem umfassenden System, für das er zunächst den Anspruch erhob, die philosophischen Fragen zu beantworten oder als Scheinprobleme aufzulösen. Dabei versucht er sich auch den Grenzen der Erkenntnis und der Sprache anzunähern. „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt,“ stellt Wittgenstein schließlich fest.

Neben dem Einfluss Wittgensteins auf die Philosophie finden sich in der Musik seine Spuren. Während er selbst der Meinung war, es sei ihm unmöglich, auch nur ein Wort darüber zu sagen, wie viel Musik ihm in seinem Leben bedeutet hätte, waren andere der Meinung, Musik eigne sich, die Gedanken Wittgensteins zu transportieren. Der finnische Musiker M.A. Numminen, der selbst jahrelang Philosophie studiert hat, widmete Wittgensteins Tractatus eine ganze CD, auf welcher er die sieben Hauptsätze des Philosophen vertonte. Sein teilweise absurd wirkender, hoher Gesang, auch als Kieksfalsett bezeichnet, ist durchaus gewöhnungsbedürftig, aber vielleicht gerade deshalb eine angemessene Art, Wittgensteins Gedanken vorzutragen. Ein weiterer Musiker, der auf Wittgenstein zurückgriff, ist der Amerikaner Steve Reich. Der als Pionier der minimalistischen Musik geltende Komponist verwendete Sätze Wittgensteins in seinen Werken „Proverb“ und „You are (Variations)“. Auch er war während seines Philosophie-Studiums auf Wittgenstein gestoßen. Der deutschsprachige Songwriter Tilman Rossmy scheint hingegen weniger von Wittgenstein angetan. In „Wittgenstein sagt“ erzählt er von der Skepsis seiner Philosophie studierenden Freundin, die ihn stets fragt: „Wie kannst du dir sicher sein, dass du mich liebst, wenn Wittgenstein sagt, dass es noch nicht mal sicher ist, dass es die Welt überhaupt gibt.“

Wenig beeindruckt von der Erkenntnis, die Welt sei alles, was der Fall ist, dünkt ihn lakonisch: „Wittgenstein war ein ziemlich trauriger Mann.“ Eine nicht aus der Luft gegriffene Behauptung. Wittgenstein besitzt auf den meisten Photos einen sehr starren Blick, sein Charakter wird auch als depressiv beschrieben. Bertrand Russell, in Cambridge eine Art Ziehvater für Wittgenstein, schreibt von Wittgenstein in einem Brief, er habe ihm gesagt, den Tag stets voller Hoffnung zu beginnen und in Verzweiflung zu beenden.

Ludwig wuchs als jüngster von insgesamt acht Kindern des Großindustriellen Karl Wittgenstein auf. Die Wittgensteins gehörten zu den reichsten Familien Wiens und taten sich als große Kunstförderer hervor. Das Haus war häufig Treffpunkt angesehener Intellektueller und Künstler. Brahms gab den Töchtern des Hauses Klavierunterricht. Insgesamt kam den Kindern Karl Wittgensteins eine hervorragende Erziehung zu. Drei von Wittgensteins Brüdern begingen noch in jungen Jahren Selbstmord.

Klimt: Wittgenstein

Gustav Klimt: Bildnis der Margaret Stonborough-Wittgenstein, 1905 (Quelle: zeno.org

In seiner theatral inszenierten und abstrakt erzählten Wittgenstein-Biographie („Wittgenstein“) lässt der britische Filmemacher Derek Jarman Wittgenstein sagen, sein ganzes Leben lang habe er sich aus seiner Erziehung entwirren müssen. Jarman benutzt Kulissen und Requisiten sehr sparsam, es ist mehr eine Bühne als eine ganze Welt zu sehen. Es werden die Lebensstationen Wittgensteins dargestellt. Dabei erscheint jede als Flucht aus der vorherigen. Aus dem Wiener Elternhaus ins akademische Cambridge. Von dort auf der Flucht vor dem chitchat der british intellectuals zunächst ins norwegische Winterexil, schließlich als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg. Genau wie Bruder Paul, ein angesehener Klaviervirtuose, der dort seinen rechten Arm verliert, doch nach dem Krieg seine Karriere fortsetzt und dafür unter anderem auf Einhand-Stücke Liszts zurückgreift.

Wittgenstein selbst schreibt im Schützengraben entscheidende Passagen für den Tractatus. 1919 kehrt er aus Kriegsgefangenschaft nach Cambridge zurück, verschenkt seinen Teil des Familienerbes an die Geschwister und veröffentlicht den Tractatus mit einem Vorwort von Bertrand Russell. In Wittgensteins Augen: Ein ungenügendes Vorwort. Mit dem Gefühl, nicht verstanden zu werden, und der Meinung, mit dem Tractatus alle Probleme der Philosophie aufgelöst zu haben, kehrt Wittgenstein der Philosophie den Rücken. Der amerikanische Konzeptkünstler Joseph Kosuth schloss 1969 in seinem Essay „Art after Philosophy“ aus den Folgen der wittgensteinschen Überlegungen darauf, dass die Philosophie nichts mehr zu sagen habe und nun in der Kunst eine Nachfolgerin der Philosophie gesehen werden müsse.

Der später tatsächlich auch als Künstler aktive Wittgenstein sucht als Lehrer in der österreichischen Provinz sein Glück. 1926 reicht er ein Entlassungsgesuch ein, nachdem ein elfjähriger Schüler nach einem Schlag auf den Kopf bewusstlos zu Boden gefallen war. Er lebt eine Zeit lang in der Gärtnerlaube eines Klosters und arbeitet dort als Gehilfe. Als er sich schließlich um ein Aufnahmegespräch in den Orden bemüht, raten ihm die Mönche von einem Leben im Kloster ab. Schließlich konstruiert er zusammen mit dem Architekten Paul Engelmann ein Haus für seine Schwester Margaret Stonborough. Die als 23-jährige von dem Familienfreund und Maler Gustav Klimt portraitierte jüngste Tochter Karl Wittgensteins versuchte mit einem Interesse für Mathematik und Psychoanalyse der elterlichen Erziehung zu entkommen. Eine Besprechung ihres dem Stil des Architekten Adolf Loos nachempfundenen Hauses findet sich in dem Buch „Die Architektur des Ludwig Wittgenstein“ von Bernhard Leitner.

Wittgenstein versucht sich in seinem Leben in einer erstaunlichen Menge an Disziplinen. Zu nennen wären unter anderem seine Pflege-Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg und sein ursprüngliches Ingenieurs- studium. Wittgenstein beschäftigte sich mit dem Flugzeugbau, so wie die Figur des Daidalos, Vater des Ikarus aus der griechischen Mythologie, dessen Geschichte analog zu Wittgensteins philosophischem Fortgang gelesen werden kann. Daidalos errichtete dem kretischen König Minos ein Labyrinth, das dem Minotaurus als Gefängnis dienen sollte. Wittgenstein konstruierte eine Theorie, die die Grenzen aufzeigte, innerhalb derer die Sprache ihr Wesen treibt. Er verstand die Gedanken des Tractatus als eine Art Leiter, mit der es möglich war, über den Bereich der philosophischen Sprachverwirrungen hinaus zu steigen. Daidalos verwies den Helden Theseus zur Flucht aus dem Labyrinth auf die Nutzung eines (Leit)Fadens. Beide fliehen schließlich vor den Konsequenzen ihrer Taten: Daidalos entschwindet dem wütenden Minos auf seinen selbstgebauten Schwingen, Wittgenstein distanziert sich von den vielfachen Interpretationen seines Frühwerks.

Schließlich kehrt er auf Drängen Russells und trotz einer gehörigen Portion Skepsis gegenüber der Philosophie wieder zurück nach Cambridge. Er beginnt schließlich mit der Arbeit an seinem zweiten Buch, den „Philosophischen Untersuchungen“. Seine Sprachtheorie hat sich in wesentlichen Punkten geändert. Er sucht nach anderen Auswegen aus den von ihm selbst gezogenen Grenzen der Sprache und den darin enthaltenen Verwirrungen. Für die Annahme einer entsprechenden Stellung in Cambridge fehlt Wittgenstein zunächst die Promotion. Diese holt er bei Russell und G.E. Moore in einer mündlichen Prüfung über seinen Tractatus nach, an deren Ende er angeblich den beiden Prüfern auf die Schulter klopft und sagt: „Don’t worry, I know you’ll never understand it.“

Der Kontakt mit dem Wiener Kreis scheint Wittgenstein den Impuls zur Rückkehr an die Universität gegeben zu haben. Wittgenstein weist jedoch auch die Interpretation des Wiener Kreises als falsch zurück. An einem Abend weigert er sich, darüber zu diskutieren, dreht den Gästen den Rücken zu und zitiert Gedichte des bengalischen Poeten Rabindranath Tagor.

In Cambridge entwickelt Wittgenstein eine immer stärkere Abneigung gegen die akademischen Kreise dort. Er rät seinen Hörern, das Studium aufzugeben. Angeblich warf er jene, die ein ernsthaftes Interesse an den Themen ausdrückten, aus seinen Seminaren. In diesem Umfeld und in der Person Francis Skinners lässt sich vielleicht die noch fehlende Figur des Ikarus finden. Als Student und Liebhaber Wittgensteins gab er sein Studium auf. Um ihm zu gefallen, arbeitete er als Gärtner und Mechaniker. Wittgenstein verließ ihn schließlich und einige Jahre später starb er an Polio.

War Wittgenstein ein angenehmer Zeitgenosse? Die Antwort auf diese Frage kann man, wenn sie überhaupt beantwortbar ist, nur denen überlassen, die ihn kannten. Aber auch deren Stimme ist zweideutig. Russell bezeichnete Wittgenstein nach ihrer ersten Begegnung als einen hitzigen Deutschen, mit dem es sich kaum lohne zu sprechen. Bald darauf hielt er ihn bereits für ein Genie, dass angenehm im Umgang sei. Als bezeichnend für Wittgensteins Temperament gilt die nicht unumstrittene Schürhaken-Anekdote. Karl Popper beschreibt in seiner Autobiographie „Ausgangspunkte“ sein Aufeinandertreffen mit Wittgenstein am 25. Oktober 1946 bei einem Diskussionsabend in Cambridge. Die beiden seien in einer Diskussion über die Realität philosophischer Probleme aneinandergeraten. Dabei habe Wittgenstein, der am Kamin saß, „nervös“ mit einem Schürhaken gespielt und diesen schließlich auch beim Gestikulieren zum Unterstreichen seiner Worte benutzt. Angekommen bei der Frage nach der Gültigkeit moralischer Grundsätze forderte Wittgenstein Popper auf, ihm einen solchen zu nennen. Dieser reagierte trocken mit: „Man soll einen Gastredner nicht mit einem Schürhaken bedrohen.“ Wittgensteins Reaktion bestand aus einem in die Ecke geworfenen Schürhaken und einer zugeknallten Tür.

Andere Versionen dieser Geschichte zeichnen jedoch ein deutlich positiveres Bild von Wittgenstein. Eingehend untersucht wurde der Fall „Wittgenstein vs. Popper“ in dem Buch „Wie Ludwig Wittgenstein Karl Popper mit dem Feuerhaken drohte“ von David J. Edmonds und John A. Eidinow. Zu einem eindeutigen Ergebnis kommen sie dabei jedoch auch nicht. In etwas abstrakterer Form taucht Wittgenstein dann in einem Krimi des englischen Autors Philip Kerr auf. Der dystopische Roman spielt im London des Jahres 2013. Aufgrund von Fortschritten in der Neurologie ist es der Regierung gelungen, eine Kartei für potentielle Gewalttäter anzulegen. Verdächtig sind alle, denen ein bestimmter Teil des Gehirns fehlt. Gespeichert werden sie unter einem Pseudonym, doch irgendjemand mit Zugang zu diesen Daten beginnt, mit logischem Kalkül nach und nach die Verdächtigen umzubringen. Schließlich stellt sich heraus, der Täter ist selbst in der Kartei zu finden, unter dem Pseudonym Ludwig Wittgenstein. Bereits der Titel des Buches, „A philosophical Investigation“ (dtsch.: „Das Wittgenstein-Programm“) erinnert an das zweite große Hauptwerk Wittgensteins, seine „Philosophischen Untersuchungen“. In einer nicht ganz so philosophischen Untersuchung taucht Wittgenstein als kurioser Nebensatz in einer Akte-X-Parodie der Simpsons auf. In der Folge „Die Akte Springfield“ antwortet Homer Scully auf die Frage, was er am Abend seiner vermeintlichen Alien-Begegnung getrieben habe, mit: „Barney and I were discussing Wittgenstein over a game of backgammon.“ Der fast erschreckende Gedanke eines die Grenzen seiner Welt erkennenden und nicht mehr gegen sie anrennenden Homers hält jedoch nicht lange vor. Nachdem Scully ihn auf die Strafbarkeit von Falschaussagen aufmerksam macht, gibt er zu: „Okay, we were sitting in the back of Barney’s car eating packets of mustard.“

Das Vermeiden falscher oder vielmehr unsinniger Aussagen ist auch ein Anliegen in Wittgensteins zweitem Werk. Grundparadigma seiner Sprachtheorie ist nun allerdings nicht mehr, dass die Bedeutung eines Wortes einer Abbildfunktion entspreche, sondern seinem Gebrauch. Da wir uns über den Gebrauch der Wörter im Unklaren seien, führt uns die Philosophie häufig in rein logische Sprachverwirrungen. Die eigentliche Aufgabe der Philosophie sei daher der Kampf gegen „die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.“ In der Wittgenstein-Rezeption ist es strittig, ob Wittgenstein sich in seinem zweiten Werk komplett gegen seine früheren Überlegungen stellt oder ob es eine Möglichkeit gibt, sie zu einem sich ergänzenden Gedankensystem zusammenzufügen. Da die Philosophischen Untersuchungen erst nach seinem Tode veröffentlicht wurden, gibt es von ihm selbst keine klare Aussage zum Verhältnis seiner beiden Werke.

Unklar bleibt auch die Rolle des Philosophen, der häufig keiner sein wollte, in der englischen Geheimgesellschaft der „Cambridge Apostels“. Mitglieder dieser Organisation von Elite-Schülern waren unter anderem Russell, Whitehead und Huxley. 1979 wurde sie durch den Skandal um den sogenannten „Cambridge Spionage-Ring“ bekannt, der aus Apostel-Mitgliedern bestand und geheime Informationen an die UdSSR weitergab. Wittgenstein selbst versuchte, 1935 in die Sowjetunion auszuwandern, um dort als einfacher Arbeiter zu leben. Ihm wurden jedoch lediglich Lehrerpositionen angeboten, welche er ablehnte. Über sein genaues Verhältnis zur Sowjetunion und seine politische Ausrichtung ist nicht viel bekannt.

Weitere Gerüchte ranken sich um seine Homosexualität. Bekannt wurde diese erst 1973 durch den Wittgenstein-Biographen William Warren Bartley. Der australische Physiker Kimberley Cornish meint, eine homoerotische Beziehung, die jedoch mit tiefstem Zwist endete, zwischen Wittgenstein und Adolf Hitler nachweisen zu können. Einen historischen Beweis dafür kann er nicht liefern, in seinem Buch „Der Jude aus Linz“ arbeitet er mit Indizien. Beide seien eine Zeit lang in Linz auf dieselbe Schule gegangen, hätten sich für Schopenhauer interessiert, hätten viel Wert auf ihre äußere Erscheinung gelegt und wären in der Lage gewesen, Wagner-Partituren Note für Note nachzupfeifen. Tatsächlich soll Wittgenstein in dieser Zeit sehr elegante Kleidung getragen und darauf bestanden haben, von seinen Mitschülern gesiezt zu werden. Cornish konstruiert in seinem Werk die Geschichte zweier Dandys, deren ungewöhnlicher Lebensstil sie zusammenschweißt. Er interpretiert „jüdische Kontakte“, von denen Hitler sprach, als Metapher für Homosexualität und behauptet, in der angeblichen Abfuhr, die Wittgenstein Hitler schließlich erteilt habe, liege eine der Wurzeln für dessen späteren Judenhass. Auch wenn diese Gedanken spannend sein mögen, die historische Faktenlage für diese Spekulationen erscheint dürftig. Vielleicht hätte sich Cornish stärker an den siebten Paragraphen des Tractatus halten sollen: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“

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