Wo Treue noch Ehre ist. Zum neuen Layout der FAZ

von Augušt Maria Neander, 05.10.2007, 17:37 Uhr (Verlorenes Zeitalter)

 

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist eine Institution. Nirgends sonst sind Mainstream und Konservativismus so nahe beieinander. Passiert also etwas mit »dieser Zeitung« (Selbstbezeichnung), ventiliert es gleich die gesamte (nicht nur:) Systempresse. Bisher wurde noch jede der (bis dato 33) Photographien auf dem Titel sogleich kommentiert; zuletzt Joseph Card. Ratzinger anläßlich seiner Wahl in das Amt, das sogar besser als SPD-Vorsitz ist.

Damit ist es nun vorbei. Mit Kim Jong-Il, Roh Moo-hyun und einem natürlich ungenannten Domestiken vor einer selbst für diese Stromzeitschrift beachtlichen Menge an Alkoholika zerstört die FAZ am heutigen Tage ihr optisches Leitfossil. Nicht genug: Mehr Durchschuß, mehr Weißraum, andere Schrift, dazu eine (natürlich!) »behutsame« Modernisierung der Aufmachung der Artikel durch »Leads«, Vorspänne, »Teaser«. Optisch nähert sich die alte Tante immer mehr der Optik aller anderen schon lange zu Yuppieblättern verluderten Postillen (allen voran die Frankfurter Rundschau). Immerhin: Inhaltlich (so ätzt das einstmalige Sturmgeschütz der Demokratie) will man sich nicht Hippieblättern wie der Süddeutschen anbiedern. Als bräuchte es die Anbiederung an diese Zielgruppe! Herausgeber Schirrmacher ist dick mit der Springer-Presse, hievt Gen-Sequenzen ins Feuilleton und hat das Genre Oberschichtenpopulismus zu neuen Höhen geführt.

 

»Wir bleiben uns treu« lautet der zweite Kommentar ohne Frakturüberschrift, eine trotzige Apologie der neuen Formlosigkeit. Verfaßt ist er von Werner D’Inka, Mitglied des Herausgeberkollegiums, einer weiteren Besonderheit dieser Zeitung. Manieriert bis in die Spitzen (außer Schirrmacher, dort Spitzen gelegentlich diekmannesk mariniert) leistet man sich die Blödigkeit des Verzichts auf eine Chefredaktion zugunsten der homme-de-lettres-Anmutung des Titels »Herausgeber«. D’Inka referiert über mehr als eine Seitenhöhe wortreich das Offset-Massaker. Mit voller bildungsbürgerlicher Breitseite (Bacon, Brecht, Goethe) hebt er an zu einer Jeremiade über die veränderten Lesegewohnheiten des (nicht einmal dies traut er sich zu schreiben:) nachwachsenden illiteraten und prekären Pöbels, der nicht mehr lustvoll tagtäglich im Kaffeehaus seine Zeitung zelebriert, sondern negermusikverseucht allenfalls noch Zeit hat, die eben neu eingeführten »Leads« zu lesen. Aber natürlich muß eines mit aller Deutlichkeit, meine Damen und Herren, klargestellt werden: Man prostituiert sich zwar, ist aber nicht Hure des Zeitgeists. Bei D’Inka liest sich das so: »Die Lesegewohnheiten ändern sich. Der Qualitätsanspruch dieser Zeitung bleibt.« Recte: Der Tag geht. Johnny Walker kommt.

 

D’Inka entblödet sich auch nicht, auf die abgeschmackteste Weise (jedenfalls die abgeschmackteste nach der Beschwörung klebrigen Zeitgeistpathos) die Verflachung schönzureden: Anstatt ehrlich zuzugeben, daß der nachwachsende usw. Pöbel schlichtweg zu doof ist, die gute alte fette Gotisch (und erst recht das lange s) zu lesen, gar durch irgendwelche ahistorische Assoziationen von ihr allzu perhorresziert wird, zieht er alle Register des Westentaschentypographen und lobhudelt eine wunderweise Tradition aus der weiß GOtt abgenudelten Verwendung einer der vielen Times-Bastarde. Renaissance-Antiqua, Neunzehndreiundzwanzig für die Times (die mittlerweile selbst wie ein Fachblatt für Rummelnuttenverleih aussieht) entwickelt (immerhin nicht in Setzerprosa »geschnitten«!), »für Interessierte« (und das sind wir Bildungselite doch, nudge, nudge) erfährt man auch noch, daß es eine »Times New Roman Condensed Bold« sei.

 

Diese geballte Nichtinformation zieht sich durch’s Blatt: Neckisch scheint eine neue Kolumne unter der nun wirklich hintersinnigen Rubrik »Fraktur« auf Seite 4 installiert zu sein, natürlich so betitelt, daß (nudge, nudge) ein langes s zu setzen ist. (Einen Inhalt soll sie auch haben.) Kalauert die Medienseite noch über das neue digitale Bühnenbild von Brot Bernd mit der Titelei »neues Layout«, wird der Nadelstreifenseyfried Strizz fast schon (ho ho!) subversiv, alsda zum Unterlegen für Malerarbeiten eine Zeitung mit der Schlagzeile »Neues Layout! Die Republik feiert!« verwandt wird. (Überhaupt, der ganze Strip rührend pöstchenmodern-selbstreferentiell.)

 

Hat man all dies überstanden, bleibt das Dahinter-steckt-immer-ein-kluger-Kopf-Heftmittenposter. Ursula von der Leyen mit einer Nullnummer der neues-Layout-FAZ inmitten vieler rosa Häschen. Und wenn etwas nicht Metal ist, dann ja wohl Ursula von der Leyen und rosa Häschen.

 

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