Grundformen der Apologie

Dankbar bin ich für den Einwurf des Kollegen Neander. Sein heftiges J’accuse gegen meine Argumentation und gegen das Vorgehen der Bundesrepublik zerrt einige Argumentationsfiguren ans Licht, die prototypisch dafür sind, wie Apologien der Linken-Hanswurstiade immer wieder zustande kommen können.

von J******* F******, 07.06.2007, 15:19 Uhr (Freiburger Zeitalter)

Der Vorwurf lautet unter anderem, die „legitimen Anliegen des Gipfelprotests“ seien ausgeblendet worden. Die Gegenfrage sei gestattet: Welche legitimen Anliegen? Die Scharlatanerie einer vollkommen inhaltsleeren Protestkultur ist durch noch so elaborierte und liebgewonnene Theoreme nicht zu etwas in irgendeiner Weise Wertvollem zu adeln. Die Steinewerfer (und auch die sogenannten „friedlichen Demonstranten“) sind eben keine legitimierten Tyrannenmörder oder irgendetwas in dieser Art. Was sie betreiben, ist genau das, was ihnen die Theorie meinethalben verboten haben mag: L’art pour l’art Gewalt und l’art pour l’art Protest, ein Exzess der Empörung, dessen Ursprung man allein im Psychologischen finden kann – ein pathologisches Bedürfnis im Recht zu sein, sich moralisch von anderen abzugrenzen.

Dieser moralische Furor zeugt natürlich von einer ehrlichen und aufrechten Gesinnung. Das bunte Volk in Heiligendamm, die Frauen in Hühnerkostümen und die Männer in Frauenkostümen, kämpfen immerhin gegen Armut und all das. Der kalte, böse, gesichtslose und internationale Neoliberalismus hat sicherlich keinen Sympathievorsprung vor Menschen, die „regional, saisonal und ökologisch einkaufen“. Und doch: Eine ehrliche Gesinnung und sympathische Absichten sind gar nichts wert. Weniger als das, sie sind erbärmlich, wenn sie allein der moralischen Selbstbefriedigung ihrer Träger dienen. Die afrikanischen Ländern, in denen Mangel und Elend herrscht haben den Protestlern nicht das Geringste zu verdanken.

Und ob mein Fazit, das Lamento über fehlende Deeskalation sei jämmerlich, wirklich „skandalös“ gewesen ist, wage ich zu bezweifeln. Die Argumentation der Demonstranten kommt mir manchmal vor, wie die Entschuldigung eines Handtaschendiebs, den man zu seiner Tat befragt: „Ja, wenn die alte Dame da nicht mit ihrer Tasche gestanden hätte, dann hätte ich sie auch nicht beklauen müssen.“ Und ähnlich heißt es, die einfache Anwesenheit der Polizeikräfte wäre eine Provokation für die Demonstranten gewesen. Es war schon immer das Lieblingsspiel der Täter, Ursache und Wirkung in den Mixer zu stecken. Immerhin waren die brennenden Autos keine Polizeiwägen und die eingeworfenen Scheiben gehörten zu keiner Polizeiwache. Haben die Autobesitzer bzw. die Gastronomen, deren Gaststätten verwüstet wurden die Demonstranten auch provoziert?

Und dann der schreckliche, schreckliche Staat: Angesichts der Rauchwolken über Rostock klingt das Gegreine über den ach so bösen Zaun um Heiligendamm wie der Jingle einer Satiresendung. Die Demonstranten können stolz darauf sein, den Beweis seiner Notwendigkeit selbst geführt zu haben. Denn wer ernsthaft fordert, der Nachbar sollte seine Hecke abschaffen, damit man ihm ungestört auf den Rasen koten kann, der hat sein Recht darauf, ernst genommen zu werden, restlos verspielt.

Dass es in letzter Zeit Exzesse des Sicherheitsdenkens gegeben hat, ist natürlich unbestreitbar. Die Vorstellung eines „Wächterstaates“ muss jedem Liberalen die Haare zu Berge stehen lassen. Schuld daran, dass dieses Schreckgespenst wieder an Form gewinnt, ist aber nicht allein die Überambitioniertheit eines Innenministers Schäuble, sondern auch dumme Menschen, das sich einen Spaß daraus machen, erst zuzuschlagen und dann „Repression“ zu brüllen, wenn zurückgeschlagen wird.

1 Gedanke zu „Grundformen der Apologie“

Schreiben Sie einen Kommentar