Endstation Boykott

von Timotheus Schneidegger, 15.01.2007, 12:34 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

Am 15.01. beginnt die einmonatige Rückmeldefrist für das Sommersemester 2007. Es ist keine gewöhnliche Rückmeldefrist, denn erstmals umfasst der vorgedruckte Überweisungsträger 500 Euro für Studiengebühren und folgte auf einen Gebührenbescheid, in dem das Rektorat in schönstem Bürodeutsch und Vorahnung der Begeisterung über solche Post das Schreckgespenst von der Exmatrikulation an die Wand malte.

 

Nachdem die studentischen Proteste der vergangenen Jahre (v.a. im Mai und November 2005) wirkungslos blieben, wollen die Studierendenvertretungen im Land die Gebühren im letzten Moment und ganz praktisch stoppen, nämlich indem sie zum Boykott aufrufen. Jetzt müssen die Studierenden dazu gebracht werden, die Überweisungsvordrucke, die sie von der Uni zugeschickt bekommen haben, nicht bequem auszufüllen und brav 605,- Euro für die Rückmeldung zu zahlen. Statt dessen ist der Vordruck wegzuschmeißen und der Betrag in zwei Teilen zu überweisen: 105,- Euro waren und sind Sozialbeitrag, Sockelbetrag für das Semesterticket sowie Verwaltungsgebühr, die wie gehabt an die Unikasse gehen. 500,- Euro sind Studiengebühren, die auf ein von einem Anwalt verwaltetes Treuhandkonto überwiesen werden. Machen genügend Studierende mit, kann ihre Vertretung mit dem Rektorat und dem Land in Verhandlungen treten – mit dem Ziel, daß alle Boykotteure für das Sommersemester als immatrikuliert gelten, ohne die 500 Euro an die Uni überwiesen zu haben – was das Gebührengesetz spätestens bei der nächsten Rückmeldung zur Makulatur macht.

 

Die Zahl der Studierenden, die notwendig sind, um den Boykott zum (wohlgemerkt: vorläufigen) Erfolg zu erklären, wirkt willkürlich und ist es auch, da das Quorum hier, anders als etwa bei Bürgerentscheiden, nicht gesetzlich vorgegeben ist. Genau gesagt sind es zwei Quoren, auf die es am Stichtag, dem 15.02. (zugleich letzter Tag der Rückmeldefrist) ankommt. Die Tatsache, daß sich in Freiburg mindestens 5500 Studierenden (ein BoykottViertel aller Immatrikulierten) der Gebührenzahlung verweigern müssen, und landesweit 10.000, erklärt sich vielleicht aus den Erfahrungen des langjährigen Kampfes gegen Studiengebühren. Bei vergangenen Protestaktionen zeigten sich die Studierendenvertretungen der Uni und PH Freiburg als engagierteste in BaWü – eine Tatsache, die weder beim anstehenden Uni-Jubiläum, noch in der kommenden Staffel von „Deutschland sucht die Super-Uni“ zu Freiburgs tatsächlichen Gunsten beschworen werden wird.

Nun ist eine solche Staffelung des Quorums eine gute Taktik, aber eine schlechte Strategie. Der Boykott basiert auf der Garantie, daß sich jeder risikofrei beteiligen und so vielleicht doch noch die Gebühren aufhalten kann, denn das Freiburger Rektorat wird sich sein Jubiläumsjahr und seinen „Recall“ beim Elite-Vorsingen nicht dadurch verhageln wollen, über ein Viertel seiner Studierenden zu exmatrikulieren (zumal damit auch auf einen Schlag 25% der Landeszuschüsse wegbrächen).

Doch auch an den anderen Unis in BaWü liegt das hauseigene Quorum bei 25% der Immatrikulierten. Wo in Freiburg gute Aussichten bestehen, das Quorum zu erreichen, dürfte das anderswo (sagenwirmal in Heidelberg) mehr als fraglich sein. Wird das Quorum an einer Uni verfehlt, werden die auf dem Treuhandkonto zwischengelagerten Studiengebühren an das jeweilige Rektorat überweisen und die Teilnehmer fallen aus der Zählung für das landesweite Quorum von 10.000 Studierenden.

 

Trotzallem gibt es keinen guten Grund, den Boykott zu boykottieren. Zwar sind seit Dezember letzten Jahres landesweit hunderte von Klagen gegen das Gebührengesetz in Vorbereitung (der Freiburger u-asta informiert hier über den Verlauf), über die im Frühjahr entschieden werden wird. Bestenfalls werden sie nur zu einer Ausweitung der Härtefallregelungen und zu Gebührenverschonung für bereits Immatrikulierte führen, das Gebührengesetz selbst aber nicht kippen. Der Boykott stellt die letzte Chance dar und ist überdies relativ risikofrei und unaufwendig. Schon mit der Überweisung der Gebühren auf ein Treuhandkonto ist für jeden Beteiligten die Sache erledigt: Wird eines der Quoren nicht erreicht, werden die Gebühren fristgerecht an die Unikasse weitergeleitet. Hat der Boykott dagegen Erfolg, beginnen die Verhandlungen, während im Hintergrund die Mahnbescheide ausgedruckt werden, die den Boykotteuren Anfang März zugestellt werden. Je nach Stand der Verhandlungen besteht dann immer noch für jeden Einzelnen die Möglichkeit, einen Rückzieher zu machen und den Anwalt anzuweisen, die 500 Euro weiterzuleiten.

 

Mit Boykott hat sowohl die Freiburger Studierendenvertretung, als auch das Rektorat Erfahrung, das 2003 abermals und dieses Mal mit Erfolg versuchte, eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 40,- Euro pro Semester einzuführen. (1997 hieß die noch „Rückmeldegebühr“, betrug 100,- DM und wurde auf dem Rechtsweg gekippt.)

Beim damaligen Boykott war die Beteiligung in Freiburg überragend, das landesweite Quorum aber wurde verfehlt. Ob das hiesige Rektorat überhaupt in der Lage ist, im Fall eines erfolgreichen Boykotts auf die verantwortlichen Ministerien in Stuttgart einzuwirken, ist mehr als fraglich, wie der seit Jahren ergebnislos geführte Kampf um eine bessere Bezahlung studentischer Hilfskräfte zeigt. Die Hiwi-Löhne sind seit 1993 nicht nur nicht erhöht, sondern sogar effektiv gekürzt worden, sehr auch zum erklärten Mißfallen von Rektor Jäger, der studentischen Initiativen in dieser Angelegenheit jede Unterstützung versprochen hatte.

 

Mit der Einführung von Studiengebühren dürfte sich die Sache oberflächlich erledigt haben, wenn die Studenten ihre Tutoren künftig indirekt selbst bezahlen. Denn für mehr als ein paar neue Hiwis wird das Geld, das die Studiengebühren in die Unikassen spülen, nach Abzug der Kosten des dazugehörigen bürokratischen Aufwands, nicht reichen (siehe „Über Gebühr getobt“).

 

Die soziale Ungerechtigkeit von Studiengebühren ein weiteres Mal zu beschwören ist nicht mehr angebracht. Es reicht der Hinweis, daß das Stipendiensystem, dessen Aufbau seit Jahren von Land und Rektorat versprochen wird, aus der Einrichtung von verzinsten Krediten besteht. Die gerüchteweise schon jetzt drohende Zweckentfremdung der Gebühren, die zu einem verschleierten Rückzug des Landes aus der Hochschulfinanzierung führen werden, ist so wenig eine Überraschung, wie es die künftigen Erhöhungen der Studiengebühren sein werden.

Angesichts des geringen Risikos und der letzten Chance, ein Gesetz aufzuhalten, das fatale Folgen für die Hochschulen haben wird, ist es den Versuch wert, die Studiengebühren nicht sofort an die Unikasse, sondern zunächst auf das Treuhandkonto zu überweisen.

 

 

Der Freiburger u-asta hat eine Seite mit den Kontodaten und allen wichtigen Informationen zum Boykott eingerichtet. Dort werden auch alle Fragen beantwortet, die sich z.B. im Zusammenhang mit Bafög, Exmatrikulation, Bescheinigungen usw. stellen:

www.boykott-freiburg.de

 

Außerdem gibt es jeden Montag um 18 Uhr in Hörsaal 1098 (KG I) eine Informationsveranstaltung zum Boykott.

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