Der Lichtwelpe: Bier alle, Bär alle.

von Augušt Maria Neander, 27.06.2006, 17:09 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

Lieber Lichtwelpe!

Der Bummie, mein Teddy, ist ganz traurig und ich auch. Weil die bösen Jäger haben ja den Bruno totgeschossen. Der Freund von meiner Mama, der Maik, hat dann gestern

gesagt, wo er das bei den Action News auf RTL 2 gesehen hat, daß die Jäger den Bruno allegemacht haben. Und dann hat er gelacht und dann hat er noch gesagt, daß sein Bier alle ist und die Mama ihm ein neues holen soll, die alte Schlampe.

Lieber Lichtwelpe, wie ist das nun? Warum ist der Bruno alle und das Bier alle, obwohl doch die alle eigentlich jetzt nichts mehr sind? Und warum ist meine Mama eine alte Schlampe, wo sie doch erst 25 Jahre alt ist und immer alles aufräumt und putzt?

Deine Jacqueline-Marie (11)

 

Geschätzte Jacqueline-Marie, verehrte Kinder!

Sie haben ganz recht: das Verhältnis von Alles und Nichts schwebt je immer schon in einer eigentümlichen Spannung von völliger Identität und totaler Alterität. Konnte der Onkel Pascal noch fragen (Sie gestatten mir zu paraphrasieren), warum das alles sei und nicht vielmehr nichts, wußte sich bereits Onkel Schopenhauer im Buddhismus zu bedienen, wo in einer genialischen Volte das All des Seins mit Nichts identifiziert wird. (Ich weiß, ich weiß: »Aber Onkel Meister Eckhardt!« werden Sie sagen, und Sie haben recht – unser Ziel ist aber vorerst nicht Mystik.) In Sachen Bruno und Bier gestatten Sie mir, ein Motiv des Deutschen Idealismus anzuführen: der Teil, der sich zur Totalität aufspreizt. Die Antigone-Rezeption des alten Onkel Hegels illustriert unser Problem: Tante Antigone wie Onkel Kreon vertreten je ihr gesellschaftliches Teilsystem (Onkel Luhmann), das sich zur Totalität aufspreizt.

Sie sehen bereits die Linien: Gerade darin, daß Ihrer Mutter Lebensgefährten Bier faktisch in einer Totalität der aktualen Getrunkenheit ist, er aber das All einer potentiellen Getrunkenheit anstrebt, ist das faktische Nichts des Bieres eine transzendentale Allheit. Mit Problembär Bruno – eine persönliche Fußnote sei mir gestattet: wir täten gut daran, das »Konzept Bär Schweiz« (1) uns zu eigen zu machen. Ein Problembär hat das Recht, zunächst »systematisch und konsequent mehrmals vergrämt« zu werden, noch ehe er zum Risikobären und ergo erschossen wird. So weit. Mit Bruno also verhält es sich nun analog: Spreizte sich zunächst der Bär zur Totalität auf, indem er in den Subsystemen Natur und Kultur wildern können glaubte, spreizte sich anschließend auch der Mensch gerade komplementär auf. Bruno als Antigone (Natur und Naturrecht) gegen das Bayerische Umweltministerium (Kultur und gesetztes Recht) – notwendig wird Bruno also ver-nichtet (da haben Sie ihren Onkel Eckhardt), gerade aufgrund seiner angemaßten Allheit.

Ich fasse zusammen: Ist das Bier alle, so handelt es sich um ein transzendentalphilosophisches apophantisches Urteil, wird der Bär allegemacht (sie sehen den grammatikalischen Unterschied), wird zwar auf die Bedingung der Möglichkeit des Abschusses abgezielt (das Aufspreizen zur Totalität), jedoch wird der Tod als All zusätzlich im Geiste Onkel Heideggers als »eigenste, unbezügliche, unüberholbare Möglichkeit« gesehen; wie die indoeuropäische Wurzel, *al-, wachsen, schon andeutet, ist ein allegemachter Bär die vollständige Aktualität, in die diese Möglichkeit, das Sein zum Tode, mündet.

Wie sich das mit ihrer Mutter, der alten Schlampe, verhält, vermag ich allerdings nicht zu klären.

 

Mit vorzüglichster Hochachtung bleibe ich Ihr

Onkel Augušt Maria Neander

 

(1) Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK (Hg.): Konzept Bär Schweiz. Entwurf vom 27. Februar 2006.

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