Novemberproteste – Vollversammlung am 10.11.

von Timotheus Schneidegger, 10.11.2005, 23:05 Uhr (Freiburger Zeitalter)

Die Vollversammlung (VV) im Anschluß an die Rolldemo und zum Ende der Protesttage vom 08. bis 10.11. begann mit einem alten Leid: Es waren zu wenige Studierende anwesend, um beschlußfähig zu sein. Das war auch dann noch der Fall, als die Anwesenden für eine halbe Stunde hinausgeschickt worden waren, um zu „mobilisieren“, also Vorlesungen zu sprengen und Versammlungsunwillige zur Teilnahme zu „überreden“.

Somit konnte diese VV lediglich Empfehlungen aussprechen und die Beschlüsse der letzten VV vom 08.11. blieben in Kraft, u.a. der, die Protesttage fortzusetzen. Aus dieser Absurdität entsprang wesensgefügt der erste Antrag aus dem Plenum: Da der u-asta sich als Vertretung aller Studierenden der Uni Freiburg betrachtet und eine überdeutliche Mehrheit – ihrem Fernbleiben von Protestaktionen und Vollversammlungen nach zu schließen – kein Problem mit Studiengebühren und dem anhängigen Mentalitätswandel deutscher Bildungspolitik hat, solle sich der u-asta jetzt einfach für die Einführung von Studiengebühren aussprechen oder zumindest der Gleichgültigkeit der meisten Studierenden einen entsprechenden Ausdruck verleihen; was hieße, den u-asta abzuschaffen und die Studierenden lediglich mit dem AStA zu vertreten, der in Süddeutschland Sportfeste, Malwettbewerbe und behindertengerechte Eingänge organisieren darf und sonst nichts. So leicht wollte sich Felix Wittenzellner, neben Anna Bauß und Lukas Schäfer seit Anfang Oktober u-asta-Vorstand, aber nicht überflüssig machen und erklärte, der u-asta vertrete die Meinung derer, die sich in der VV und in den u-Fachschaften äußern; wer das nicht tut, hat Pech gehabt. Ist die Freiburger Uni also nochmal haarscharf an der Anarchie vorbeigeschrammt und weiß sich auch fürderhin in ihrer Apathie behütet!

Zur Sache kommend wurde ein Resüme der heutigen Proteste in BaWü gezogen, das aber eher kurz ausfiel, da über die Demonstrationen in Stuttgart und Tübingen noch keine Informationen vorlagen. Allerdings gab es ein kurzes Video vom Tübinger Tortentag: Am dortigen dies academicus vor einer Woche hatte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, P.Gaethgens, zum Dank für seine Begeisterung von Studiengebühren von einer Abordnung der Tübinger Studenten vor versammelter Uniprominenz eine Schokotorte ins Gesicht gedrückt bekommen. Die Videoaufnahme der „plumpen Attacke“ (Reutlinger General-Anzeiger vom 03.11.), die einer der Beteiligten womöglich mit seinem Studienplatz zu bezahlen hat, sorgte in der Vollversammlung für große, bitter nötige Begeisterung. Denn die meiste Zeit ging es nur um die unerfreuliche Frage, warum sich so wenige Kommilitonen für die Proteste interessieren, außerdem darum, wie und ob sie überhaupt zu „mobilisieren“ seien. Es wurde reichlich spekuliert, doch vorerst ohne konkreten Plan für das kurzfristige Ziel, am 30.11. – zu Beginn der Lesung des Gebührengesetzentwurfs im Landtag – mit möglichst vielen Freiburgern an der großen Demonstration in Stuttgart teilzunehmen. Von der PH kam der Rat, gerade bei der Mobilisierung und Aufklärung nicht so zu tun, als ließe sich dieses Gesetz noch verhindern, sondern statt dessen die Folgen nicht nur von Studiengebühren, sondern des gesamten Projekts „Hochschulen als Unternehmen“ aufzuzeigen, um jedem klarzumachen, daß es um viel mehr geht, als 500 Euro für ein Semester bezahlen zu müssen. Gelänge es, auch die Professoren vom Unsinn dieser Hochschulpolitik und von der Notwendigkeit des Protests zu überzeugen, wäre es möglich, auf juristischem Wege das kommende Gesetz zu kippen oder wenigstens zu verändern. Jedoch sind die Dozenten der Uni nicht so studentennah und mutig wie ihre PH-Kollegen, wurde gekontert. Die Professorenschaft der Uni Freiburg äußere Kritik an den Plänen von Ausbildungsministerium und Unileitung nur hinter vorgehaltener Hand oder hat sich artig in die strikte Befehlsempfängerkette eingereiht, die die künftige Unileitung mehr noch prägen wird als es schon heute der Fall ist. Der juristische Kampf gegen Studiengebühren sei im Übrigen nicht Aufgabe der protestierenden Studenten; deren Optionen aber sind hier und jetzt weitgehend erschöpft. Da es überdies nicht die geringste spürbare Reaktion auf studentische Proteste gibt, wird hier und da von „französischen Zuständen“ geträumt. Nächtliche Krawalle bringen die Politik auch nicht zum Einlenken, aber zumindest für den Moment nehmen sie einem das Gefühl, ihr macht- und bedeutungslos ausgeliefert zu sein.

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