Über Gebühr getobt

von Ro Haben, 18.10.2005, 11:37 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

Ungeachtet aller Proteste wurde am 05.09.2005 auf Initiative von Ausbildungsminister P.Frankenberg (CDU) der Entwurf eines neuen Landeshochschulgebührengesetzes vorgelegt, den der Stuttgarter Landtag im November 2005 beschließen soll, um in Baden-Württemberg ab Sommer 2007 allgemeine Studiengebühren verlangen zu können. Eine Analyse des 49seitigen Gesetzentwurfs:

 

„Die sozialverträgliche Ausgestaltung der Studiengebühren gehört zu den wesentlichen Eckpunkten des Studiengebührenkonzeptes des Landes. Niemand darf durch die Studiengebühr davon abgehalten werden, ein Studium aufzunehmen. Die Sozialverträglichkeit wird durch zwei Maßnahmen gewährleistet: Zum einen haben die Studierenden die Möglichkeit, bei der Landeskreditbank … ein zinsgünstiges Darlehen zur Finanzierung … aufzunehmen … Zum anderen sind bereits während des Studiums Gebührenbefreiungen möglich, um besonderen Lebenslagen oder Erschwernissen gerecht zu werden.“ (S.20) Also gefälligst nebenbei Kind und Oma pflegen – oder Schulden machen; keine reichen Eltern zu haben ist kein „Erschwernis“!

Halt, bleiben wir sachlich! Denn die „internationalen Erfahrungen mit der Einführung von Studiengebühren zeigen … dass Studiengebühren, die unter sozialverträglichen Rahmenbedingungen erhoben werden, keinen negativen Einfluss auf die Zahl der Studierenden haben. In Australien hatte die Einführung von Studiengebühren im Jahr 1989 im Gegenteil eine Erhöhung der Studierendenzahl zur Folge.“ (S.22)

Die Höhe dieser nachlaufenden Studiengebühren richtet sich seit 1996 nach der Verwertbarkeit des Fachs, also dem zu erwartenden Einkommen. Eine von Gregor Strate im Februar 2004 für den Bundestag erstellte „Analyse der sozialen Auswirkungen“ von Studiengebühren bestätigt ein 35%iges Mehr an Studienanfängern in Australien zwischen 1997 und 2003. Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil australischer Studienanfänger von 82,5 auf 70% verringert, der Anteil ausländischer Studienanfänger dagegen verdoppelt – für den Autor „ein klares Indiz für die bewusst gewollte und gezielt geförderte Anwerbung finanzstarker Studenten als Mittel australischer Hochschulpolitik“ (S.24 der Studie). Er resümiert: „Angesichts der enormen Ausweitung der Anwerbung zahlungskräftiger, ausländischer Studenten nach Australien und dem gleichzeitigen Rückgang der australischen Studienanfänger und Studierenden erscheinen Zweifel angebracht, dass die Universitäten die Belange von Studierenden niedriger sozialer Herkunft mit Priorität behandeln.

Auch die Aussicht, vor allem von Frauen, sich dauerhaft bis zur Pensionierung zu verschulden und die aufgelaufenen Beiträge abzutragen, dürfte nicht dazu beitragen, den Wunsch nach einem Studium zu verstärken.“ (ebd. S.25/26)

 

Wieviel wäre denn zu bezahlen? Im Gesetzesentwurf heißt es auf S.22: „Die Höhe der Gebühr orientiert sich an dem seit längerem in der Öffentlichkeit diskutierten Betrag für allgemeine Studiengebühren von 500 Euro je Semester. Bei der Festlegung der Gebührenhöhe wurde berücksichtigt, dass dieser Betrag im Vergleich zu den – von Ort zu Ort unterschiedlichen – allgemeinen Lebenshaltungskosten bei der Wahl des Studienortes finanziell nur eine untergeordnete Rolle spielt.“ Ein humoriges, wenn auch zynisches Augenzwinkern – so menschlich kann Politik sein! Aber zehn Leuten für 50 Euro auf dem Bahnhofsklo einen zu blasen reicht noch nicht, denn „die Studiengebühr wird für das Lehrangebot in dem jeweiligen Studiengang erhoben. … Der Verwaltungskostenbeitrag deckt hingegen die studentenbezogenen allgemeinen Verwaltungsleistungen ab.“ (S.24) Mit dem Sozialbeitrag von z.Zt. 105,- Euro für Studentenwerk und Univerwaltung kostet ein Semester an der Uni Freiburg also 605,- Euro. Und „mittelfristig wird zu prüfen sein, ob den Hochschulen im Rahmen vorgegebener Bandbreiten Regelungsspielräume bei der Gebührenhöhe eingeräumt werden können.“ (S.23) Diese „Bandbreiten“ meinen nicht das im März von der künftigen Bundesbildungsministerin A.Schavan (CDU) gegebene Versprechen, 500 Euro seien die Höchstgrenze für Studiengebühren, denn in der Gesetzesänderung ist jetzt die Rede von „mindestens 500 Euro“ (S.14 & 24) und einer „Gebührenuntergrenze von 500 Euro“ (S.45).

 

„Die Einnahmen sollen“, wie es auf S.19 des Entwurfs heißt, „verwendet werden, um die Studienbedingungen zu verbessern und die Qualität der Lehre weiter zu steigern.“ Wie Spiegel Online am 12.10. berichtete, rechnet Frankenberg nach Abzug aller Kosten mit 180 Millionen Euro mehr im Jahr für die Hochschulen, deren Etat 2,1 Milliarden Euro beträgt. Die einzurichtende Gebührenverwaltung verschlänge jedoch „40 Prozent oder mehr“ der Einnahmen, wie E.Schaich, Rektor der Uni Tübingen und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz meint. Der Spiegel schreibt und zitiert: Es sei gegenüber den Studenten nicht verantwortbar, „dass ein so großer Anteil der von ihnen entrichteten Gelder zweckentfremdet wird“. –

 

In einem Interview mit der Badischen Zeitung am 17.08. gab Frankenberg eine Vorschau, wohin der Zug fährt:

„Wir haben jetzt vom Gesetz her unternehmerische Hochschulen. Wir brauchen aber noch eine Weiterentwicklung der unternehmerischen Mentalität.“ Aber natürlich, denn durch „die Studiengebühren kommen die Studierenden gegenüber ihrer Hochschule in die Rolle von zahlenden Nachfragern.“ Dadurch „wird das Studierverhalten positiv beeinflusst, da die Studierenden zu überlegten Entscheidungen, klaren Zielsetzungen und hohem Engagement veranlasst werden.“ (S.19)

Apropos, was machen die Studierenden eigentlich? Die gehen nach wie vor entschieden und engagiert ihrem Ziel entgegen, alle Pläne zur Kommodisierung von Bildung abzuwehren. Der Freiburger u-asta spricht von einem für September geplanten Besuch Frankenbergs, der aus Angst vor massiven Protesten abgesagt wurde; das Polizeiaufgebot und die Verbunkerung der Aula zur Geburtstagsfeier des Rektors Jäger am 14.10., bei der der Minister nicht fehlen wollte, untermalte die unternehmerische Distanz zwischen Führung und Fußvolk. Am 26.08. war laut fzs (freier zusammenschluß von studentinnenschaften) das in Berlin abgehaltene, bundesweit organisierte „Summercamp of Resistance“, auf dem der Umbau der deutschen Hochschulen in steter Anwesenheit von Zivilpolizisten diskutiert wurde, von einer Hundertschaft ohne Angabe von Gründen gestürmt und durchsucht worden.

 

In den USA könnte sowas nicht passieren, und in Deutschland bald wohl auch nicht mehr. „Die angelsächsischen Hochschulen sind das große Vorbild?“, wird Frankenberg im BZ-Interview gefragt, und antwortet: „Ja, das betreiben wir ganz systematisch: Auswahl der Studierenden, Studiengebühren, Professionalisierung des Hochschul-Managements. Was wir machen ist eine Kulturveränderung der Hochschulen, die viel tiefer geht als die 68er-Reformen.“

Schreiben Sie einen Kommentar