Jahresbericht 2005 des Freiburger Rektorats

Am 20.07.05 zogen Rektor Jäger und der AStA der Uni Freiburg jeweils die Bilanz ihres zurückliegenden Arbeitsjahres.

von Timotheus Schneidegger, 21.07.2005, 09:11 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

Ins Kollegiengebäude I war vor Jahren während eines Sturms Regenwasser eingedrungen und bedrohte die Stabilität der uralten Architektur. Trotz aller fehlenden Mittel musste Hörsaal 1199 renoviert und in die Moderne gebracht werden, bevor alles einstürzt. Ein guter Ort für das höchste Gremium der Uni Freiburg, um am 20.07.05 in einer öffentlichen Sitzung das entgegenzunehmen, was zukünftig „Rechenschaftsbericht inkl. Entlastung des Vorstandsvorsitzenden“ (Rektor) heißen wird. Prof. W.Jäger lobte in seiner Rede (41 Seiten, etwa zwei Stunden) dann auch ausgiebig die bislang getroffenen Maßnahmen seines Ausbildungsunternehmens.

Nach dem Gebet an Wettbewerb und Exzellenz: Die Laienpredigt zu Studiengebühren und Landeshochschulgesetz.

Jäger wechselt währenddessen gewohnt joviale Worte mit den studentischen Senatsvertretern.

 

Wenn der Senat die Öffentlichkeit zu einer Sitzung einlädt, kommen natürlich auch Studierende. Von denen aber wussten einige die Offenherzigkeit der Führungsriege nicht anders als mit Protesten zu würdigen, wie schon beim Dies Universitas am 16.06.05, als sie Rektor Jäger zum Kaiser krönten und seine italienischen Schleicher ableckten, oder wie bei der Sitzung der Grundordnungskommission am 09.06.05, die sie mit symbolisch zugeklebten Mündern verließen, um sich nicht dazu herzugeben, demokratische Strukturen vorzutäuschen, wo keine da sind. Den Rückzug der Studierendenvertreter aus der Kommission bedauerte Jäger in seiner Rede am 20.07., ohne jedoch auf deren Begründung einzugehen.

Die meisten Studierenden verlassen aus Protest die Sitzung. Aufstand der Anständigen 1: „Rauf“.

 

Sein Jahresbericht war bereits vorab im Internet verfügbar (alle folgenden Seitenangaben beziehen sich darauf) und wurde von einigen Studierenden mit in die Sitzung gebracht. Einschlägige Aussagen, z.B. Jägers Vorfreude auf Studiengebühren, begleiteten sie dann ganz im choralen Stile einer römisch-katholischen Messe, was zeitweise den Schleier des säkularen Hochschulpragmatismus von der Lithurgie über Exzellenz, Innovation, Konkurrenzfähigkeit, Profilierung, corporate identity, rankings, strategische Ausrichtung, operative Umsetzung und „Urgrund für herausragende Leistungen“ [sic!] lüften konnte. Die bereits während der Mai-Proteste an Jäger gerichteten Forderungen wurden ausdrücklich wiederholt, ehe ein Großteil der Studierenden demonstrativ die Sitzung verließ. Erneut wurde Jäger der Rücktritt nahegelegt, begründet mit der aus seinem Mund stammende Feststellung, er und die Studierenden befänden sich offenbar im „Dissens“.

Ordnung muß sein, daher Aufstand der Anständigen 2: „Runter“.

 

 

Wie weit dieser geht, zeigte sich dann auch an Jägers Jahresbericht. Abenteuerliche Erwartungen wie die, Studierende würden „als Gebührenzahler einen viel unmittelbareren Anspruch auf Leistungen“ (S.8) erwerben und es werde keinen weiteren Rückzug des Landes aus der Hochschulfinanzierung geben, einmal außen vor gelassen, hatte Jäger über die Mai-Proteste kaum mehr zu sagen, als daß darunter „vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsverwaltung … zu leiden hatten“ (S.9). Mit dem AStA habe es „trotz mancher Meinungsverschiedenheit, zum Beispiel hinsichtlich von Studiengebühren sowie der Protestaktionen dagegen“ eine insgesamte konstruktive Kooperation gegeben (S.38), zumindest was die „kulturellen und sozialen Anliegen“ betrifft.

Der Autoritätsgraben einer Universität im Jahre 2005: Die ersten drei Reihen sind für den Senat reserviert, die drei Reihen dahinter abgesperrt, die hinteren Plätze sind für den (inzwischen abgezogenen) Plebs.

 

Auch der Personalrat und die Frauenbeauftragte Prof. I.Villinger erhielten Lob, soweit sie sich an ihre Aufgaben gehalten haben. Wenn die Frauen- und Familienförderung vom Rektorat offensichtlich nur unterstützt wird, „um Deutschland auch in Zukunft international einen Spitzenplatz in der Forschung zu sichern“, da dies nur möglich ist, „wenn an der Universität ein frauenfreundliches Klima herrscht“ (S.39), ist das zwar ein geistiges Armutszeugnis für eine Universitätsführung, die schon lange nicht mehr nach Idealen wie Gerechtigkeit strebt, aber des doch guten Zieles wegen nicht weiter zu tadeln.

 

Die professoralen Senatsmitglieder nutzten die anschließende Diskussion, um die Protestwut der Studierenden zu tadeln und sie darum zu bitten, bei aller Kritik die Form zu wahren und die Menschenwürde zu achten (!). Prof. A.Voßkuhle erklärte sich im Namen seiner rechtswissenschaftlichen Fakultät und auch seiner Fachschaft solidarisch mit dem Rektor, der schwerste Diffamierungen erlitten haben soll. Jäger bedankte sich: „Es bedarf schon viel Geduld, das zu ertragen.“

u-asta-Vorstand Clemens Weingart, der im Anschluß den Rechenschaftsbericht des AStA vorzutragen hatte, schloß sich umgehend der selbstverständlichen Verdammung persönlicher Angriffe auf Jäger an, auch um es der Professorenschaft nicht so leicht zu machen, ihre Kritiker als unsachliche Halbbarbaren ohne Rückhalt und Demokratieverständnis darzustellen und „ins politische Abseits“ (S.9), den landesgesetzlichen Bestimmungsort des Ausbildungsnachfragers, zu drängen. Eine Rhetorik, die demonstriert, für wie blöd die Herrschaften den Rest der Welt halten.

 

Die Studierenden schlagen zurück: Jägers stundenlange Rede wird von Senator Clemens Weingart (buf) mit einer ausführlichen Erklärung des u-Modells vergolten.

 

Weingart führte aus, unter welchen Bedingungen die Studierendenvertretung auch im vergangenen Jahr zu arbeiten hatte, insbesondere was die finanzielle Unterversorgung und die Bevormundung durch das Rektorat angeht. Kritik wurde gleichmäßig dosiert verabreicht, sei es mit der beiläufigen Erwähnung der Versuche Jägers, die Brauerei Ganther telefonisch dazu zu drängen, die Unterstützung des studentischen Protests mit Freibier aufzugeben, sei es mit der Aufzählung der Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung von Einladungen an studentische Kommissionsmitglieder. Die Gesamtentwicklung der Studierendenvertretung wurde trotzallem positiv beurteilt, auch wenn das (politisch opportune) Aussterben der süddeutschen Studierendenvertretungen durch die Einführung der BA/MA-Studiengänge befürchtet wird, die keinen Raum für ehrenamtliches Engagement in der Hochschulpolitik mehr lassen werden.

 

Nicht ohne Ironie waren die üblichen Delegitimierungsversuche einiger Professoren in der folgenden Debatte. Die Studierendenvertretung aufgrund einer Beteiligung von 13,9% an den AStA-Wahlen vom 21.06.05 als undemokratisch zu bezeichnen macht sich gut für Mitglieder einer Statusgruppe, die in allen Gremien so überrepräsentiert ist wie die Professorenschaft und einen ungewöhnlich „gewählten“ Rektor auf ihrem Schild trägt. Die Beteiligung sei für inneruniversitäre Wahlen, die keinem Wahlberechtigten schriftlich oder (bis auf eine einzige Ausnahme) durch Professoren z.B. in Veranstaltungen angekündigt werden, nicht schlecht, so der u-asta-Vorstand. Die Senatsvertreter der normalsterblichen Universitätsangestellten gaben zu verstehen, daß sie auch keine höhere Wahlbeteiligung als die Studierenden hätten, sich dennoch als Vertreter aller Angestellten verstünden, und im Übrigen das studentische Ohnmachtsgefühl gut nachvollziehen könnten.

Nicht schon wieder! Aber: Doch nichts los im und vorm Rektorat. Gemächlicher Feierabend für die vorsichtshalber anwesende Polizei.

 

Zum Schluß wurde ein Video über die Besetzung des Rektorats am 02.05.05 gezeigt, das sichtlich unangenehme Erinnerungen weckte. Prof. G.Figal (Philosoph.Fak.) hatte auch schnell genug davon und befand, seine Zeit sei ihm zu Schade für sowas. Also drückte der AStA-Vorstand auf die Tube, Weingart forderte die Professoren mehrfach dazu auf, das Freund-Feind-Schema im Senat zu überwinden und schloß seinen Rechenschaftsbericht mit der Bekanntmachung: „Das Rektorat ist wieder besetzt.“

Dort jedoch stand nur ein einsamer Streifenwagen herum, dessen Besatzung auch nur gerüchteweise von einer neuen Rektoratsbesetzung gehört hatte. In der Verwaltung der Freiburger Universität war schon längst Feierabend und Schotten-dicht.

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