u-Modell ist nicht gleich u-Modell

Zur geforderten Einführung eines u-Parlaments.

von Timotheus Schneidegger, 02.11.2004, 12:38 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

Die Studierenden in Baden-Württemberg und Bayern haben in ihrer landesgesetzlichen Not einen stolzen Zoo von Vertretungen hervorgebracht, deren jede sich als ein mögliches u-Modell versteht. Gemeinsam ist ihnen ihre mehr oder weniger große Unabhängigkeit von den hier- und dazulande gesetzlich geknebelten und finanziell bevormundeten ASten der Universitäten.

 

Das Freiburger u-Modell hat in seiner über 25jährigen Geschichte einigen Wandel erfahren. Jetzt steht der nächste an und es könnte durchaus der letzte sein, also der Wandel vom da zum nichts: AStA-Mitglied und leidenschaftlicher Hasardeur Martin Lyssenko (buf) will das u-Modell, an und in dem er drei Jahre mitgearbeitet hat, keineswegs abschaffen. Es sei ihm immer schon um Reformen gegangen – wirkliche Veränderungen seien auf herkömmlichem Weg jedoch nicht gegen die systemimmanente Trägheit des u-Modells durchzusetzen. Also muß er mit Stimmentzug drohen; bei der knappen Mehrheit im AStA setzt er dem u-asta damit die Pistole auf die Brust: Reform nach meiner Maßgabe oder Untergang.

 

In den Erklärungen, die der AstA-Sitzung vom 22.10.04 folgten, war allseits die Rede von Gesprächsbereitschaft: Martin beteuerte sie im Anschluß an seinen Forderungenkatalog, die JuSos in ihrem besinnungslosen Freudentaumel darüber, endlich einen Mitstreiter in ihrem Reformbestrebungen gefunden zu haben, und auch der u-asta zeigte sich wie immer schon für alle konstruktive Kritik offen. Wo es in der sich erwartungsgemäß entspinnenden email-Debatte („benevolenter Diktator“, „Arschloch vom Dienst“) nicht ausreichte, die Gesprächsbereitschaft der Gegenseite als Floskel darzustellen, musste der Demokratieverständnis-Hammer geschwungen werden, der in der studierendenpolitischen Rhetorik in der gleichen Schublade liegt wie der gröbere Keil des Fascho-Vorwurfs.

Martins Erklärung, künftige Entscheidungen im AStA zu blockieren, las sich für den u-asta als euphemistisch aufgeblasenes Erpresserschreiben. Das geforderte Entgegenkommen klang in dieser Atmosphäre wie die Aufforderung zu Verhandlungen. Ob Reformen, die sich auf diese Art und Weise ergeben, ihren Namen verdient und über die akute Bedrohungslage hinaus Bestand haben, darf durchaus angezweifelt werden.

 

Dabei gibt es, darin sind sich alle einig, berechtigte Kritik am jetzigen u-Modell (siehe „Das u-Modell und seine Instanzen“). Seine basisdemokratische Struktur ist zwar umstritten, bspw. inwieweit die Fachschaften, auf denen der u-asta fußt, tatsächlich für alle Studierenden offen und von ihnen legitimiert sind; doch wurde dieser Aufbau bislang nie ernsthaft in Frage gestellt. Höchstens von den fachübergreifenden Hochschulgruppen (JuSos, RCDS, Julis, seattle), deren Einfluß – trotz mitunter zweistelliger Stimmenanteile bei den Uniwahlen – als AStA-Opposition stets gleich null war. Ein repräsentatives u-Modell wäre eher nach ihrem Geschmack: Es würde die Herrschaft der Fachschaften zugunsten eines u-Parlaments brechen, in dem – ganz wie bei den Erwachsenen – Parteifraktionen um Koalitionsverträge feilschen.

Mit Martin haben die Fürsprecher eines solchen u-Modells nun erstmals einen Verbündeten, der den u-asta dazu zwingen könnte, seine Strukturen entsprechend zu verändern oder sich restlos aufzulösen.

Die Umwandlung des fachschaftsbasierten u-Modells in ein Studierendenparlament (StuPa) birgt das Risiko, das eh schon am Existenzminimum krebsende studentische Engagement könnte in der mehr oder weniger turbulenten Operation am offenen Herzen der bisherigen Organisationsformen endgültig versiegen. Eine Gefahr, zu der sich die Segnungen eines repräsentativen Modells gering ausnehmen. Denn ein StuPa ist keineswegs das Allheilmittel, als das es von seinen Befürwortern angepriesen wird. Diese versprechen sich gute Chancen auf einen Sitz darin, den sie von da an nach eigenem Gutdünken ausfüllen dürften, ohne daß ihnen die unwissende Basis mit Vollversammlungen weiterhin ständig dazwischenquatscht. Ob jedoch die dann notwendige Ochsentour durch die Hierarchien der Hochschulgruppen künftigem Nachwuchs reizvoller erscheint als die Mitarbeit in einer Fachschaft, aus der sich langsam ein hochschulpolitisches Interesse entwickelt, ist ernsthaft zu bezweifeln.

Ein StuPa könnte sich professioneller und kompetenter darstellen als es der u-asta heute vermag, der vielen nur als chaotischer Club von hoffnungslosen Utopisten gilt, die viel zu viel freie Zeit neben dem Studium haben. Nur brächte das auch die Art von Elitarismus mit sich, die Politiker immer vom Volk „auf der Straße“ und den Leuten „da draußen“ sprechen lässt. In den provinziellen Verhältnissen der Freiburger Uni wäre das, wenn es denn so kommen soll, wenigstens ein ordentlicher Beitrag zu studentischer Realsatire – mehr noch als es die Palästinensertücher, Arbeitskreisgründer und Antifaschisten in der nazibefreiten Zone Deutschlands jetzt schon sind.

 

Ein repräsentatives u-Modell würde die Möglichkeiten studentischer Mitsprache deutlich verändern: An Stelle einer durch die Dominanz der Fachschaften universitätsbezogenen Hochschulpolitik träte eine von parteipolitischen Kalkülen und persönlicher Karriereabrichtung bestimmte, die wie ihr Vorbild in der großen Politik den einfachen Studierenden als nur einmal pro Legislatur mündiges Stimmvieh gebraucht. §21 des Grundgesetzes würde hier als Motto dienen: „Die Parteien wirken bei der hochschulpolitischen Willensbildung der Studierenden mit.“

Es ist verständlich, wenn JuSos, RCDS und Co. ein solches u-Modell fordern. Es würde ihnen gestatten, bereits im Studium etwas Parlament zu spielen, jedoch ohne sich mit Studierenden abgeben zu müssen, die ein anderes oder gar kein Parteibuch haben, wie sie es zur Zeit tun müssten. Später können sie sich – wie ihre politischen Weggefährten an StuPa-Unis – mit einer Liste von zugeschacherten Posten im Lebenslauf bei der Mutterorganisation (SPDCDUusw.) für höhere Weihen zu empfehlen. Besser als die bisherige ist eine solche Studierendenvertretung dadurch, daß sich einige einen persönlichen Vorteil davon versprechen, gewiß nicht.

Wie jemand bei klarem Verstand in Zeiten, in denen sich die von parteipolitischer Soße verstopften Legislativen des Bundes gegenseitig in der Unfähigkeit zu regieren überbieten, auf die Idee kommen kann, einen unentschlossenen Bundestag voller Parteikader und einen blockierenden Bundesrat voll anderer Parteikader als Modell für eine bessere Studierendenvertretung nicht nur zu empfehlen, sondern – wie Martin und seine Jubelperser von den JuSos – auf Gedeih und Verderb durchsetzen zu wollen, sei dahingestellt.

 

Aber es ist ja nicht alles schlecht. Einigen Elementen des bisherigen u-Modells wollen die Reformer weiterhin ein Existenzrecht gewähren, zum Beispiel den Fachschaften. Deren Behinderung (oder ihr Generalstreik) würde ein StuPa sehr schnell als den elitären Zirkel von lediglich an sich selbst interessierten Nachwuchs-Möllemännern dastehen lassen, der es auch wäre. Weil auch diese Art von Studierendenvertretung sich gerne das Mäntelchen der Wähler-Fürsorge umhängt, wird es auch in Zukunft Fachschaften geben. Diese sollten die studentische Hochschulpolitik aber besser den ungebundenen Kompetenzteams überlassen und sich auf Kuchenverkauf und Hüttenwochenenden konzentrieren. Wer seine Universität in dieser schönen neuen Welt der Studierendenpolitik mitgestalten will, buckelt sich im RCDS oder bei den JuSos auf einen Listenplatz hoch.

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