Beschiß mit Semtix und Hiwis

von Timotheus Schneidegger, 09.10.2004, 22:23 Uhr (Freiburger Zeitalter)

Wenn ich mich heute bei der Bild-Zeitung bewerben würde, dann in etwa so:

Das Semesterticket ist teurer geworden: Statt 56 kostet es nun 61 Euro. Schon klar, als es vor zwei Jahren eingeführt worden ist, da hieß es von Seiten der Verkehrsbetreiber: Wir wollen erst einmal gucken, wie die Akzeptanz ist, dann können wir noch einmal über Reichweite und Preis verhandeln. Der Absatz war reißend und nun, warum nicht!, wird der Preis erhöht, denn mit denjenigen, die in der Fahrrad- und gottverdammten Ökostadt Freiburg auf ÖPNV angewiesen sind, kann ja irgendwas nicht stimmen und darum haben sie es nicht anders verdient.

Von Seiten unserer Studierendenvertretung habe ich jedenfalls nix dazu gehört. Man muß es mit Demos und Streik nicht gleich übertreiben, aber ein offener Beschwerdebrief oder ein Bombenanschlag auf das Loch, in dem sich diese habgierigen Bus&Bahn-Kapitalisten mit Studenteneuros den Arsch abwischen, das wäre doch wohl drin gewesen!

Zum Vergleich: Unsere Kommilitonen in Oldenburg zahlen für ihr Semesterticket zwar noch mehr, aber dafür können sie mit ihrem Zettel sechs Monate lang beinahe überall hinreisen. Von den ostfriesischen Insel bis Hamburg und Hannover liegt alles in Semesterticketrerichweite, was dort wenigstens ansatzweise interessant ist. Mit unseren Semtix kommen wir nicht einmal bis nach Basel, Colmar oder Offenburg. Nicht weil diese Orte so interessant wie dreckige Fensterscheiben sind, sondern weil der anale Charakter in Baden-Württemberg immer stärker ausgeprägt ist, je weiter man in den Süden guckt.

Das zeigt sich auch in einer anderen Interessensphäre des studentischen Lebens, beim Lohn nämlich.

Seit 1993 sind die Hiwi-Löhne in BaWü nicht mehr erhöht worden, weil Studenten ja nicht von Inflation und steigenden Lebenskosten betroffen sind, schon gar nicht in Freiburg, wo zur bald schon exponential steigenden Tabaksteuer-Erpressung noch der allgegenwärtige Mietwucher hinzukommt.

Dieser Mißstand wurde seit Jahren mit welterschütternder Regelmäßigkeit von der Landesrektorenkonferenz unter „ferner liefen“ beklagt.

Im Sommer dieses Jahres hat BaWü die Löhne von Hiwis und anderem akademischen Subproletariat um durchschnittlich 15% gesenkt, indem dieses Elite-Land sich aus seinen tariflichen Verpflichtungen verpisst und einige ausgeklügelte vertragsrechtliche Finten geschlagen hat, die unseren Politikern wenigstens da noch einen letzten Rest von Kreativität bescheinigen, wo es um Einsparungen geht.

Wieder klagen die Rektoren darüber, auch der Freiburger Handelsreisende Wolfgang Jäger findet das alles voll uncool, weil durch solche Maßnahmen die wissenschaftliche Nachwuchsgewinnung schwer behindert werden würde. Vermutlich glaubt er selbst noch an das Märchen, wonach die Alma Mater sich aus Studenten rekrutiert, die als Hiwi für die Uni arbeiten müssen, um sich das Studium an ihr leisten zu können, und nicht aus Hiwis, die auch für einen Euro pro Stunde einem Prof zeigen würden, wie man in Word kursiv schreibt, weil sie von irgendeiner elitären Stiftung und Doktor Papa finanziert werden. Diese schnappen nebenbei auf, was gerade in der Forschung en vogue ist und schreiben die passende Abschlußarbeit mit besten Empfehlungen vom Arbeitgeber, jene müssen außerhalb der Uni Fuß fassen, wo sie sich schon einmal an das Leben fernab der universalen Wissenschaft gewöhnen können. Nicht unbedingt das schlechteste, denn wenn ich mir vorstelle, wohin der akademische Betrieb und die Bildungspolitik seit Jahren gelenkt werden, erscheint mir die Arbeitslosigkeit wesentlich attraktiver als täglich die Publikumsverarsche stützen zu müssen, dergemäß die postmortalen Reflexe der deutschen Universität zukunftsorientierte Zeichen von frischer Lebendigkeit seien.

Der vom Redenschreiber ins Skript der Uni-Führung gekritzelte Unmut über das lächerliche Taschengeld, das den Hiwi vom Sklaven unterscheidet, zeugen von Ohnmacht, Heuchelei und Realitätsverlust auf den teuren Plätzen. Schwer zu sagen, welches denn nun die am wenigsten wünschenswerte Eigenschaft einer Politik ist, die nach wie vor für sich reklamiert zu regieren und nicht längst zur Administration von Sachzwängen verkommen zu sein.

Wenn ich mehr arbeiten muß, um das gleiche Geld wie vorher zu kriegen, kann ich auch weniger Zeit in Bus und Bahn verbringen, mir das Semesterticket sparen und gleich auf der Maloche übernachten. Aber das geht ja auch nicht, die Universität ist eine Stätte des Wissens und keine Jugendherberge!

Ach, soll es von mir aus ruhig weiter alles den Bach runtergehen, bis es an der Zeit ist, mit der Bildung wieder ganz von vorne auf den Marktplätzen zwischen Ruinen anzufangen! Heidegger rät passend zu jedem Thema: „Wir sollten nichts tun sondern warten.“ („Gelassenheit“, S.35)

Dafür braucht man schließlich weder ÖPNV, noch Universitätsanstellung. Eine Kolumne in der Bild reicht völlig, auch wenn sie bloß im Lichtwolf erscheint.

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