Verbotene Wörter

Wer darf wen, wann und unter welchen Umständen als was bezeichnen, ohne gegen (oder um gegen) die Etikette zu verstoßen?

von Fiete Fatmoaker, 26.09.2004, 14:04 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

„Hure“ ist gut, darf man sagen. Eine schlichte Berufsbezeichnung. Dagegen ist „Nutte“ ganz verboten, sagt niemand, nicht einmal zu einer Sau im biologischen Sinne. Wer jemanden als „Prostituierte“ anspricht, bezeugt Mitgefühl und weist auf Kenntnisse in Sozialpädagogik hin: Unterdrückung der Frau, Sexuelle Ausbeutung usw. Man zeigt Problembewusstsein.

„Schwul“ ist richtig gut, wenn es ganz natürlich ausgesprochen wird, ohne Pause zwischen sch- und -wul. Das wär‘ allerdings peinlich. Könnte auf unbewusste Homophobie hinweisen und genau die ist ein erstes Zeichen dafür, dass man auf dem eigenen Ufer nicht mit beiden Beinen steht. Aber DAS wiederum darf man gar nicht sagen, weil es absolut und auf jeden Fall homophob ist.

Einen Grenzfall stellt „Schwuchtel“ dar. Da hängt es davon ab, wer es zu wem sagt. Wer wie eine „Schwuchtel“ aussieht, darf jeden ohne Unterschied „Schwuchtel“ nennen. Aber dieser Fall ist, wie gesagt, kitzlig. Wer hier in kräftigen Bariton verfällt, der stellt sich leicht in die Feinripp-Ecke.

Bestimmte Ausdrücke sind ausschließlich reflexiv zu verwenden: „Ich bin eine Schlampe“, das geht, ist aber abgegriffen. „Du bist eine Schlampe“, unmöglich, das sagen nur die letzten „Chauvischweine“ oder lustige „Schwuchteln“ – und dann ist es wieder ein guter Witz. Das „Chauvischwein“ kommt nur in maskuliner Form vor und ist von einer Frau gesagt, ein heftiger Vorwurf oder, wenn von männlicher Seite geäußert, ein Kompliment in dem Neid mitschwingt. Grundsätzlich sind fast alle reflexiven Bildungen erlaubt („Ich bin ein Trottel, Lahmarsch, Wichser…“), nur bei den Epitheta ist äußerste Vorsicht geboten: „Ich bin ein dummes Arschloch“, weist auf mittelschwere Depressionen hin und zeigt Redebedarf an – man darf auf Zuhörer hoffen. „Ich bin ein rassistisches Arschloch“: ganz schlecht, ungesund und zahnschädigend. Ein schmaler Grad, fürwahr!

Jeder Hinweis auf menschliche Unterschiede, die sich nicht auf sexuelle Präferenzen beziehen, müssen prinzipiell kritisch betrachtet werden, sowohl wenn sie sich auf intellektuelle, soziale und kulturelle, wie auch physiognomische und ästhetische Abweichungen beziehen. Als Grundregel kann hier gelten, dass die Differenz, soll sie denn unbedingt zum Ausdruck gebracht werden, durchweg positiv bewertet werden muß und keineswegs wie eine Defekt erscheinen darf: „Interessante Sonderbegabung“, „Lebenskünstler“, „eine andere Kultur/ Rationalität“, „innerer Reichtum“.

Wenn erwünschterweise auf die Geschlechterdifferenz und diesbezügliche sozialpolitische Maßnahmen Bezug genommen wird, dann darf allerdings niemals eine persönliche Note im Gesagten mitschwingen: „Unsere Gesellschaft ist viel zu verkrampft, was Sex angeht“, ist eine etwas holprige, aber passable Bemerkung, die sowohl von Soziologiestudentinnen, wie von Talkshow-Gästen goutiert wird. Dagegen ist der Einwurf gleichen Inhaltes „Ej, willst du ficken?“ allein schon durch die enthaltene persönliche Ansprache entwertet. Das ist in diesem Fall besonders bedauerlich, weil die ansonsten universell einsetzbare Vokabel „ficken“ hier nicht zur Geltung kommt. Eine Änderung erfährt dieses Bild, wenn der besagte Zwischenruf a) von einer Frau, b) von einer „Schwuchtel“ oder c) von einem Migranten unbestimmten Alters und Geschlechtes als Ausdruck seiner „anderen Kultur“ verwendet wird.

Diese Klippen sind für den Anfänger nicht leicht zu umschiffen. Als Notnagel sei ihm ein Wort wie ein Bannfluch an die Hand gegeben, dessen allmächtige Wirkkraft jede Situation, in die er sich durch unvorsichtigen Sprachgebrauch verwickelt hat, zu retten vermag: „Spießer!“

 

Schreiben Sie einen Kommentar