Vom Uni-Streik bis zur Lyssenko-Debatte

Bericht zum Uni-Streik, der CDU-Besetzung, den folgenden Ermittlungen, polizeilichen Aussagen und den Streit um Solidarität.

von Corner Stone und Timotheus Schneidegger, 19.06.2004, 13:08 Uhr (Dunkles Zeitalter)

 

Im Dezember 2003 wurde auf der Vollversammlung, mit welcher ursprünglich nur die Solidarität mit streikenden Studierenden andere Unis unterstrichen werden sollte, beschlossen, daß auch die Uni Freiburg bestreikt wird. Während dieses sog. „weichen Streiks“ vom 20. bis 22. Januar 2004 fanden zahlreiche Aktionen mit mehr oder weniger reger studentischer Unterstützung statt. Von Anfang an lagen Gerüchte in der Luft, es würde eine Besetzung in Freiburg geben (die Berliner hatten es ja ein ums andere Mal vorgemacht). Kurze Zeit wurde diese sogar auf der offiziellen Streik-Homepage nebulös als „Aktive Stadtbesichtigung“ beworben.

 

Am Mittwoch den 21. Januar 2004 gegen 15 Uhr, kurz nachdem eine 6km lange Menschenkette erfolgreich von der Uni bis zur PH gebildet worden war, stürmten ca. 30 Studierende, die sich davor in der Stadt getroffen hatten in die nur von einer Sekretärin bewachten CDU-Parteizentrale und erklärten diese für besetzt. Dies sprach sich blitzschnell in der sich auflösenden Menschenkette rum, von der in einer spontanen Demo bis zu 1000 Studierende vor der Zentrale erschienen, von denen es etwa 25 weitere noch schafften ebenfalls einzudringen. Danach riegelte die Polizei das Gebäude ab, war aber weiter so hilfsbereit, den Besetzern ihr Megaphon, zwecks besserer Kommunikation mit den Demonstrierenden, auszuleihen.

 

Die Besetzer, zumindest diejenigen, die wirklich wussten was sie taten und damit erreichen wollten, forderten, daß MdL Dr. Klaus Schüle (CDU) mit ihnen verhandelt. Dieser erklärte sich zunächst nur dazu bereit, vor der Parteizentrale mit den Studierenden zu diskutieren. Obwohl ein Großteil der vor der Zentrale Versammelten dieses Angebot annehmen wollte, lehnten die Besetzer es ab. Herr Schüle wurde in seinem Büro mit einem Forderungskatalog der Besetzer konfrontiert (1. Nein zu Studiengebühren, 2. Nein zum LHG, 3. Einführung einer Verfassten Studierendenschaft), den er dankend ablehnte. An der Diskussion waren hochrangige u-asta-Vertreter, unter anderem J. Waldschütz (FSK-Referent) und ein damaliger Vorstand beteiligt. Ein konstruktives Gespräch kam jedoch nicht zustande, da Herr Schüle sich weigerte mit den Besetzern zu verhandeln. Bei diesem Gespräch machte ein anwesender Journalist Fotos von der Gesprächsrunde, die am folgenden Tag auf der Homepage der Badischen Zeitung unzensiert zu sehen waren.

 

Nachdem Herr Schüle unter Polizeischutz das Gebäude wieder verlassen hatte, die Unterstützung vor der Zentrale auf etwa 200 Studierende zusammengeschmolzen war und sich in der Zentrale Langweile und Ratlosigkeit breitmachte, brachen die Besetzer schließlich, etwa zwei Stunden nach Beginn, die Besetzung ab und verließen das Parteibüro.

 

Die Aktion verlief friedlich und geordnet. Es hätte an dem Verhalten der Besetzer (mit Ausnahme, dass sie einen Hausfriedensbruch begangen hatten) nichts auszusetzen gegeben, wäre nicht am nächsten Tag bekannt geworden, daß die Digitalkamera von Herrn Schüle sehr wahrscheinlich von einem der Anwesenden gestohlen worden ist.Den besten Beweis dafür lieferten der oder die Täter selbst, als sie bei indymedia die auf der Kamera gespeicherten Fotos, versehen mit abwertenden Bemerkungen („Wer ist denn dieser Vollidiot?“, „Schüle du Depp“), veröffentlichten. Obwohl die Besetzer sich anschließend von dieser Aktion distanzierten und es Bemühungen von allen Seiten gab, den oder die Diebe zu einer Rückgabe zu bewegen, ist die Kamera bis heute nicht aufgetaucht. Auf der den Streik abschließenden Vollversammlung vom 22.Januar wurde sogar angeboten, die Kamera notfalls anonym in der Belfortstraße 24, dem Sitz von AStA und u-asta, abzugeben.

 

Es hatte nichts desto trotz den Anschein, als wäre die Besetzung eine der vielen gemeinsamen Streik-Aktionen gewesen, die nicht besonders hervorstach. In den folgenden Monaten wurde es ruhig um die Proteste. Die Euphorie, noch während des Streiks vorhanden, verpuffte langsam und die Arbeitskreise, die sich gebildet hatten, arbeiteten mit wenigen noch Engagierten vor sich hin.

 

Die CDU hatte jedoch nach der Besetzung Anzeige wegen Diebstahls und Hausfriedensbruch gestellt und die Polizei begann Vorladungen zu verschicken. Im Forum des u-asta wurde Anfang Mai eine anonyme Mail verschickt, in welcher darauf aufmerksam gemacht wurde. Sie enthielt eine Rechtsbelehrung und die Aufforderung nicht auszusagen, da alles andere „irgendwie mit Denunziation“ zu tun hätte. Betroffene sollten sich beim AStA zur Koordination melden. Martin Lyssenko (AStA-Vorstand) stellte gegenüber der „Diebesgemeinde“ klar, daß man sich zu „antipolizeilichen Verbrüderungen gefälligst woanders“ treffen solle. Kurz darauf bestätigten sowohl Martin, als auch J. Waldschütz Gerüchte, wonach sie an der Besetzung Beteiligte auf Fotos bei der Polizei identifiziert hätten. Dies löste einen heftigen Streit, u.a. im E-Mail-Forum des u-asta und im Forum der Fachschaft Philosophie aus. Waldschütz hatte sich frühzeitig durch eine Entschuldigung aus der Schußlinie gebracht, so daß sich die Kritik auf Martin konzentrierte, der seine Aussage mehrfach als „richtig“ verteidigte. In dieser hitzigen Debatte wurde er als „Denunziant“ beschimpft, woraufhin er sich fragte ob es sich bei der Besetzung nicht um eine „Aktion faschistischer Dummbeutel“ gehandelt habe.

Nachdem Martin zur Zeit rechtliche Schritte gegen seine anonymen Kritiker wegen Beleidigung prüfen lässt scheinen die Fronten so verhärtet, daß eine Versöhnung unwahrscheinlich ist. (Eine Dokumentation der Debatte im u-Forum findet sich im Anhang des von der FS-Soziologie in die FSK eingereichten Antrags auf Solidarisierung mit den Besetzern und Verurteilung des bisherigen Verhaltens.)

1 Gedanke zu „Vom Uni-Streik bis zur Lyssenko-Debatte“

Schreiben Sie einen Kommentar