Leserbrief – Über Verantwortlichkeit und Verrat

Kommentar zur aktuellen Hausbesetzungsdebatte

23.06.2004, 16:39 Uhr (Dunkles Zeitalter)

 

Die augenblickliche Situation ist an Absurdität nicht mehr zu überbieten. Auf einmal kommen Diskussionen auf, die mensch längst für abgeschlossen gehalten hat. Zum Beispiel Diskussionen darum, ob mensch Leute an die Polizei verraten darf oder nicht. Naja, zugegeben, scheinbar eine Spezialdiskussion die in den letzten Jahren in der Freiburger Studierendenschaft wenig aktuellen Nutzen hatte. Aber wie sieht es mit solchen Grundweisheiten wie der Forderung nach Politischer Transparenz aus??? Der U-asta tut jedenfalls gerade so, als hätte er davon zum ersten mal gehört.

 

Auf jeden Fall kommen wir an einer Grundsatzdiskussion nicht mehr vorbei und das ist auch gut so, denn die momentane Situation zeigt nicht einen Streit um summierte Einzelprobleme, sondern reicht vielmehr, tief in das politische Grundverständnis von U-asta und seinen UnterstützerInnen.

 

Diskutieren liesse sich im Zusammenhang mit der Besetzung einiges. Fangen wir noch einmal beim Auslöser des aktuellen Streits an: Dem Weitergeben von Daten an die Polizei. Eigentlich tut es schon fast weh darüber reden zu müssen, aber sei es drum. Für jedeN der es nocheinmal hören möchte: Es gibt keine politische Rechtfertigung dafür, Daten von Mitstudierenden, im Zusammenhang mit dem Unistreik, an die Polizei weiterzugeben. Es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, ob mensch die Besetzung als toll, sinnvoll oder einen Akt des zivilen Ungehorsams begrüßt oder eben nicht. Auch nicht darum ob eine Kamera weggekommen ist. Das sind Fragen über die Wahl der Mittel und die gehören auf eine Streiknachbesprechung. Worum es geht, ist folgendes. Wenn ich Namen von BesetzerInnen an die Polizei weitergebe, dann verweise ich nicht einfach die Verantwortung an den und die Einzelne, der/die an der Besetzung teilnahm, wie einige SprecherInnen auf der letzten VV argumentierten. Mit einem solchen Handeln schliesse ich eine Gruppe aus der Reihe des U-asta aus, aber eben auf eine besonders harte Weise. Ich erkläre mich mit der Ermittlungsarbeit der Polizei solidarisch, d.h. kooperiere mit der Polizei gegen einen Dritten, obwohl ich weiß, dass am Ende des Ermittlungsverfahrens die staatliche Repression auf den/die Einzelne in Form von Strafbefehlen wartet. Um Carl Schmitt ein wenig zu schänden: Das Weitergeben von Daten stellt eine klare Freund/Feind –

Unterscheidung dar. Und aktuell haben sich hier zwei Leute des U-asta, Polizei und CDU zum Freund, die BesetzerInnen der CDU- Zentrale dagegen zum Feind gewählt. Stellen wir diese Wahl nocheinmal in den Kontext des Streiks, der sich u.a. gegen sozialen Kahlschlag, Studiengebühren und geplante LHG-Reform richtete, dann springt einem die Absonderlichkeit einer Verbrüderung mit Staatsorganen und CDU förmlich ins Gesicht.

Der einzige Aspekt in diesem Kontext, der das Weitergeben von Namen nicht rechtfertigt, aber zumindest erklärt, ist die Situation eines Verhörs. Klar ist es schlimm von Profis in die Mangel genommen zu werden und am Ende ist der Druck vielleicht so groß, dass mensch den Namen eines Kommilitonen weitergibt, obwohl das überhaupt nicht seinen Überzeugungen entspricht und er/sie sich dafür hassen könnte. In einem solchen Fall ist es falsch von Verrat zu sprechen und jedeR der das macht, sollte aufpassen den Mund nicht zu voll zu nehmen und darauf hoffen ein Verhör unter sechs Augen niemals am eigenen Leib erfahren zu müssen.

Was demjenigen, der in diesem Fall Namen weitergibt, aber nicht erspart bleibt, ist das öffentliche Eingeständnis seines Fehlers. Und: Die Kooperation mit dem Betroffenen und das Suchen nach einer gemeinsamen Lösung. Hätten die beiden damaligen (U-) Asta- Funktionäre so gehandelt, dann wäre die Situation eine komplett andere. Haben sie aber nicht. Stattdessen, und das ist in diesem Zusammenhang das Traurigste, fangen zwei bisher korrekte Leute damit an,

politisch zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist. Und genau hier wird das Weitergeben von Daten an die Polizei zum Verrat.

 

Soviel zum Thema Verrat. In der aktuellen Kontroverse ist das aber nur eines von vielen Themen, das auf die unipolitische Tagesordnung gehört. Ein anderes Thema ist der Umgang des U-Asta mit der ganzen Situation. Anstatt eine breite Debatte anzustoßen und die Problematik öffentlich zu machen, ziert sich der U-Asta bis heute, Informationen weiterzugeben, geschweige denn öffentlich Position zu beziehen. Dementsprechend sollte der ganze Komplex „Hausbesetzung“ auch möglichst aus der letzten VV herausgehalten werden. Argumentative Hilfestellung für

diese Intransparenz erhielt der U-asta inform eines Einwurfs einer Kommilitonin auf der letzten VV: Die Diskussion um die Hausbesetzung und um den angeblichen Verrat sei eine Privatsache und gehöre nicht in die VV. Genau das ist aber eine grobe Fehleinschätzung der Situation: Erstens bestellte die Polizei nicht irgendwelche Studenten auf das Präsidium, sondern eben Mitglieder des U-Asta, in ihrer Funktion als Mitglieder von diesem. Zweitens ist ist das Ausgrenzen von Menschen aus dem gemeinsamen Streik eine politische Entscheidung mit enormer Tragweite (die hier von gerade einmal zwei Personen getroffen wurde). Sie geht uns alle an und genauso geht uns alle an, wie sich der U-Asta zu der ganzen Geschichte positioniert.

Es bleibt zu hoffen, dass der U-Asta sich seiner politischen Verantwortung stellt, d.h. die Studierenden über die Situation informiert, eine Diskussion anregt und eigene Position bezieht. Ansonsten ist er als repräsentatives

Gremium nicht mehr ernstzunehmen. Und weiter bleibt zu hoffen, dass einige Menschen zur Vernunft kommen und ihre Fehler eingestehen. Nicht nur weil weil es schlichtweg beschissen ist andere Leute an die Polizei zu verraten, sondern weil eine solche Praxis jedem weiteren Streik schlichtweg die Basis entzieht. Wenn ich vom U-Asta in sachen polizeilicher Repression in Folge des Streiks keine Unterstützung, sondern im Gegenteil seine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden erwarten darf, wie kann ich dann noch an einem Streik teilnehmen. Was passiert wenn die Polizei die Namen von denjenigen haben will, die beim Demonstrationszug mit einem Fuß auf dem Bürgersteik, mit dem anderen aber auf der Fahrbahn gelaufen sind? Oder von den BesetzerInnen der Kaufhäuser, die verharmlosend ihren Hausfriedensbruch als Poetry Slam getarnt haben??? Lassen wir uns nicht spalten! Protest braucht Vielfalt. Protest braucht öffentlichkeitswirksame und druckvolle Aktionen.

[der Autor, Christian, studiert Politik und Geschichte]

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