Gespräch mit Mister X, einem Besetzer

Wir sprechen mit Peter Mustermann oder Mister X, der an der Besetzung der Freiburger CDU-Zentrale im Januar 2004 aktiv teilgenommen hat.

von Corner Stone und Timotheus Schneidegger, 17.06.2004, 14:15 Uhr (Dunkles Zeitalter)

 

Lichtwolf: Könntest du beschreiben, wie die Besetzung ablief?

 

Böser BesetzerMister X: Es wurde geklingelt, die Türe wurde aufgemacht, daraufhin sind die ganzen Studenten hineingeströmt. Die Frau im Büro hat die Polizei verständigt. Klaus Schüle wurde eingeladen zu kommen, was er auch gemacht hat. Wir wollten das Gespräch mit Herrn Schüle nicht draußen führen, wie er zuerst gefordert hat, weil das das Ende der Besetzung bedeutet hätte. Wir haben drei Forderungen gestellt: Nein zu Studiengebühren, Nein zum Landeshochschulgesetz in dieser Form und setzen Sie sich für eine Verfasste Studierendenschaft ein. Diese Forderungen hat Herr Schüle alle abgelehnt. Das Gespräch wurde irgendwann ergebnislos abgebrochen. Es hat aber sehr deutlich gezeigt, daß es uns nicht an Argumenten gemangelt hat, um Herrn Schüle oder Politiker allgemein umzustimmen, sondern daß wir da einfach gar nicht gefragt werden. Diesen Lernprozeß finde ich eigentlich sehr wertvoll und der kam erst durch die Besetzung zustande.

 

Lichtwolf: Wie würdest du rückblickend die Besetzung der CDU-Zentrale beurteilen?

 

Mister X: Als Fehler würde ich bezeichnen, daß man der Presse nicht gesagt hat, es sollen keine Fotos gemacht werden. Daß man mit der Polizei kooperiert hat, habe ich persönlich für wenig sinnvoll gehalten. Dadurch wurde uns die Besetzung ein bißchen aus der Hand genommen.

Sie hätte in der Tat besser organisiert sein können. Was oft beklagt wurde, aber nicht auf den bösen Willen einzelner zurückgeht, war z.B. die schlechte Kommunikation zwischen den Leuten auf der Straße und denen in der besetzten Zentrale. Es wäre auch zu überlegen, ob es sinnvoll gewesen ist, mit Schüle zu diskutieren.

 

Lichtwolf: Bei der Besetzung ist höchstwahrscheinlich die Digitalkamera von Herrn Schüle gestohlen worden.

 

Mister X: Ich glaube keiner der Besetzer steht hinter diesem Diebstahl, bis auf den einen, der es getan hat. Auch nicht hinter der Veröffentlichung der Bilder. Es ist auch selbstverständlich, daß Herr Schüle deswegen Strafanzeige erstattet.

Wir haben deutlich gemacht, daß derjenige, der die Kamera geklaut hat, sie zurückgeben soll. Da das nicht passiert ist, ist das jetzt eine Angelegenheit der Polizei. Die Besetzer als Gruppe sind nicht dafür verantwortlich, daß irgendeine individuelle Person einer individuellen Straftat überführt wird. Die Besetzung war eine politische Aktion, der Diebstahl nicht. Von daher ist er auch nicht politisch zu behandeln.

 

Lichtwolf: Kannst du bitte Stellung dazu beziehen, daß einige bei der Polizei Aussagen zur Besetzung gemacht haben?

 

Mister X: Es ist selbstverständlich, daß bei schweren Straftaten mit der Polizei zusammengearbeitet wird. Ich halte dagegen die Besetzung für eine moralisch vertretbare Aktion. Es bestand kein Grund, daran beteiligte Leute bei der Polizei auszuliefern.

Es sollte aber auch in der Diskussion nicht primär darum gehen, einzelne Personen an den Pranger zu stellen. Sondern darum, einen Umgang auch für zukünftige Situationen zu finden. Da finde ich es wichtig, daß der u-asta das Verhalten, das da stattgefunden hat, kritisiert und darüber reflektiert, daß er die Vertretung aller Studierenden ist, damit auch derer, die vielleicht auch mal Aktionen am Rande der Legalität betreiben. Das gilt zumindest, solange diese Aktionen moralisch vertretbar bleiben, was bei dieser Aktion auf jeden Fall gegeben war.

Wir haben nicht mit den Beschimpfungen angefangen. Das ganze ging mit einer sehr sachlichen email los, in der gesagt wurde, daß, wenn jemand zur Polizei gehen sollte, obwohl er es nicht muß, er selbstverständlich nichts sagen soll. Alles andere hätte mit Denunziation zu tun. Dann ist es natürlich nur konsequent, daß, wenn dieses Verhalten doch stattgefunden hat, es mit diesem Wort bezeichnet wird.

Martin hat die Besetzer pauschal als „Diebstahlgemeinde“ beschimpft und später noch die „faschistischen Dummbeutel“ draufgesetzt.

 

Lichtwolf: Die Verantwortung für die Eskalation der Debatte liegt bei Martin?

 

Mister X: Es trugen sicherlich beide Seiten ihren Teil dazu bei. Es ist auch Definitionssache, wo man den Anfang der Kausalkette setzt: Ob bei der Besetzung, oder der Polizeiaussage von Martin oder bei der ersten mail von Martin oder beim ersten Mal als das Wort „Denunziation“ gefallen ist.

 

Lichtwolf: Hast du das Gefühl, daß die Besetzung die guten Beziehungen zwischen Studierendenvertretung und Polizei nachhaltig gestört hat?

 

Mister X: Nein, nicht im geringsten. Es war klar, daß der u-asta nicht zu der Besetzung aufgerufen hat. Es ist auch klar, daß immer wieder Aktionen stattfinden, die über den Rahmen dessen, was Kooperation mit der Polizei ermöglicht, hinausgehen.

Die Beziehungen zwischen Polizei und u-asta sind sachliche Beziehungen. Die hängen nicht von persönlichen Sympathien ab, sondern von Interessenlagen, die bei Aktionen, die den Rahmen der Legalität sprengen, auch sehr stark differieren. Darüber sind sich alle im Klaren.

Allen muß klar sein, daß der u-asta sich von der Besetzung gar nicht erst zu distanzieren braucht. Wiederum sollte aber auch klar sein, daß er aus politischen Gründen gar keinen Grund hat, sich davon zu distanzieren. Die Besetzung war Teil des Streiks, sie ist aus dem Streik hervorgegangen als politische Aktion.

Genauso muß sich der u-asta natürlich nicht mit der Besetzung solidarisieren. Er kann es aber machen! Rechtlich bringt er sich dadurch in überhaupt keine Schwierigkeiten. Es diente der Wiederherstellung von brüchig gewordenem Vertrauen, damit wieder zu einer gemeinsamen Linie zurückgefunden wird.

Gar nicht so sehr geht es mir um Solidarität mit der Besetzung als solcher, sondern um Solidarität mit den Leuten. Es geht mir darum, daß der u-asta klarmacht, daß diese Besetzung Teil einer Protestbewegung war, und daß er im Zweifelsfall Leuten nicht in den Rücken fällt, sondern daß ein Pluralismus von Aktionen geduldet wird

 

Lichtwolf: Glaubst du, daß das schlechte Abschneiden der BuF-Listen bei den letzten Uniwahlen mit den Streitigkeiten zusammenhängt?

 

Mister X: Das glaube ich nicht. Es gibt natürlich einige Leute, die bezweifeln, ob sie BuF wieder wählen könnten. Ich denke, auch deshalb ist es wichtig, daß der u-asta Stellung bezieht und daß diese Krise, die meiner Meinung nach eine notwendige Krise war – es wäre schlimm, wenn ein solches Verhalten keine Krise auslösen würde – Reinigungsprozesse in Gang setzt.

Das alles gar nicht diskutieren zu wollen, war eine falsche Informationspolitik. Das ist leider auch etwas, was in einzelnen Fachschaften sehr deutlich wurde, nämlich daß die Bereitschaft, dieses Thema überhaupt als Problem anzusehen, kaum gegeben ist. Auf lange Sicht ist eine offene Diskussionskultur für den Erfolg des u-Modells unentbehrlich.

Ich glaube, bei den zurückliegenden Wahlen hat es noch keine große Rolle gespielt, weil die Angelegenheit noch nicht so bekannt war.

 

Lichtwolf: Glaubst du, es gibt irgendwelche Chancen, daß sich die beiden Lager wieder einander nähern, oder zeigt der u-asta Auflösungserscheinungen?

 

Mister X: Der u-asta zeigt in der Tat Auflösungserscheinungen, die hat er aber bereits nach dem Streik gezeigt. Es gehört zu Protesten dazu, daß, nachdem ihr Höhepunkt ohne sichtbaren Erfolg überschritten ist, eine Phase der Stagnation eintritt mit allen dazugehörigen Auflösungserscheinungen. Politik ist dann nicht mehr sexy, sondern mühevoll. Dann trennt sich die Spreu vom Weizen und es herrscht schlechte Stimmung. Aber natürlich wird dieser Konflikt diese Stimmung nicht gerade verbessern, und könnte, wenn er nicht gelöst wird, dazu führen, daß sich viele engagierte Leute vom u-asta abwenden, weil sie das Gefühl haben, sich nicht mehr auf ihn verlassen zu können.

Ich hoffe doch sehr, daß da etwas passiert, denn sonst würde sich der u-asta wirklich handlungsunfähig machen.

 

Lichtwolf: Die Opposition des u-asta gegenüber der CDU ist zur Zeit so schwach wie noch nie. Hat die Besetzung der Parteizentrale nicht mehr Schaden als Nutzen angerichtet?

 

Mister X: Ich glaube nicht, daß wir in einer irgendwie stärkeren Position wären, wenn die Besetzung nicht stattgefunden hätte. Ich glaube, die CDU hätte sehr viel mehr den Eindruck, mit ihren Plänen nicht auf Widerstand zu stoßen, wenn es nur harmlose Menschenketten gegeben hätte.

Zu dem Zeitpunkt haben in ganz Deutschland Besetzungen stattgefunden! Die haben zwar ihre politischen Ziele auch nicht erreicht, aber das lässt sich von den legalen Aktionen ebenso sagen. Man kann sich aber vielleicht mal ausmalen, was passiert wäre, wenn alle Parteizentralen der CDU besetzt worden wären. Das hätte sie vor ernste Probleme gestellt und vielleicht am ehesten dazu beigetragen, daß die CDU Studiengebühren als momentan nicht durchsetzbar erkennt.

Illegale Aktionsformen haben in der Geschichte sehr oft sehr positive Auswirkungen gehabt. Das Frauenwahlrecht, der Acht-Stunden-Tag, das Recht auf Organisation in Gewerkschaften, all das wurde durch den Druck illegaler Proteste erkämpft.

 

Lichtwolf: Glaubst du, daß es zu einer Spaltung der zuvor gemeinsam demonstrierenden Studierenschaft kommen wird, falls sich der u-asta klar von den Besetzern distanziert?

 

Mister X: Dieser Bruch ist tatsächlich zu befürchten und ich denke, er wäre wirklich fatal für zukünftige Proteste. Es ist jetzt ja schon so, daß nicht gerade die Mehrheit der Studierenden auf die Straße geht. Wenn das noch einmal in der Hälfte durchgespalten wird, kann man jeden Widerstand vergessen. Dann müsste man warten, bis die nächste Generation von Protestierenden heranwächst, die von diesem Streit nichts mitbekommen hat.

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