heads and hands 2004 – Außenbeziehungen nach Augustinus

Herr Gräber von DaimlerChrysler war ein lohnender Gesprächspartner. Der kaufmännische Leiter der DaimlerChrysler AG Niederlassung in Freiburg, einer von 35 werkseigenen Vertriebs- und Serviceniederlassungen, ist dort nicht nur verantwortlich für den kompletten kaufmännischen Bereich, also auch für Personal- und Ausbildungswesen. Nein, er hat auch eine Tochter, die Philosophie (aber nur im Nebenfach!) studiert. Das riecht nach dem deutschen Gegenstück zur Praxis reicher italienischer Familien, die es sich leisten können, ein spätgeborenes Kind als Zusatzakkumulator für das Familienkapital zu entbehren, und es der katholischen Kirche überlassen. Aber um seine Tochter ging es auch gar nicht, sondern um Philosophie bei DaimlerChrysler.

von Timotheus Schneidegger, 19.05.2004, 11:00 Uhr (Dunkles Zeitalter)

 

(Gespräch mit Herrn Gräber als MP3, ungefähr 5,41MB groß)

 

Lichtwolf: Nach welchem Studententyp suchen Sie auf dieser Messe?

 

Herr Gräber: Wir sprechen Studenten hauptsächlich der Wirtschaftswissenschaften an, aber auch aus den Bereichen Ingenieurswesen, Maschinenbau, auch Jura-Studenten. Unser Unternehmen sucht Absolventen weltweit eigentlich aller Richtungen.

 

Lichtwolf: Welche Aufgaben würden einen ausgebildeten Philosophen in Ihrem Unternehmen erwarten?

 

Herr Gräber: Dazu kann ich Ihnen keine detaillierte Auskunft geben. Weil, wie gesagt, meine Kenntnis des Personal-recruitings… Inwieweit jetzt hier international oder auch national in den unterschiedlichsten Standorten Möglichkeiten für Philosophen wären… Wenn Sie mir vielleicht eine Richtung sagen würden?

 

Lichtwolf: Mittelalterliche Philosophie und Patristik? Thomas von Aquin und Augustinus?

 

Herr Gräber: Gut, wenn dann eventuell im Bereich, sage ich mal… Kommunikation, Außenbeziehungen, sowas in der Richtung.

 

Lichtwolf: (schlau) Oder Personalentwicklung?

 

Herr Gräber: Personalentwicklung, ja.

 

Lichtwolf: Macht es Sinn, weiterhin die Beherrschung einer alten Sprache von den Philosophie-Studenten zu verlangen oder sollte man lieber einen Hörerschein zum Beispiel in Makroökonomie oder Urheberrecht zur Voraussetzung für die Zulassung zur Zwischenprüfung machen?

 

Herr Gräber: Auch das ist schwierig zu beantworten. Meine persönliche Meinung ist, daß ein Philosophie-Student Kenntnis einer alten Sprache haben sollte.

 

Lichtwolf: Und aus Unternehmenssicht?

 

Herr Gräber: Er sollte aus Unternehmenssicht natürlich auch in den von Ihnen genannten Fachrichtungen beschlagen sein.

 

Lichtwolf: In Freiburg wird der Philosoph neuerdings von einem Mathematiker in Logik ausgebildet. Könnte sich dies positiv auf seine Qualifikationen auswirken?

Herr Gräber: Die Frage ist auch zu speziell als daß ich sie qualifiziert beantworten kann.

 

Lichtwolf: Aber könnten Sie sich vorstellen, daß, wenn ein solcher Student neben seinen Scheinen zur mittelalterlichen Philosophie auch einen Logikschein des Freiburger Instituts für mathematische Logik vorweisen kann, dies Eindruck auf den Personalchef machen würde?

 

Herr Gräber: Ja, durchaus.

 

Lichtwolf: Wie würden Sie die Einstiegschancen für einen Philosophie-Magister beurteilen, der sein Studium in der durchschnittlichen Studienzeit von 16 Semestern absolviert hat, das heißt im Idealfall 28 Jahre alt ist und damit ein gutes Drittel seines Lebens nie gearbeitet hat?

 

Herr Gräber: Gut, das Studium bereit auf eine spätere Tätigkeit egal in welchem Beruf vor. Jeder Student absolviert ja im Laufe seines Studiums Praktika, Aufenthalte in Firmen beispielsweise, Philosophen häufig im Bereich Medien. Insofern sind diese durchaus vorbereitet, auch wenn sie keine aktive Berufserfahrung vorweisen können.

 

Lichtwolf: Abgesehen davon, daß viele Studenten nebenher arbeiten müssen.

 

Herr Gräber: Natürlich, natürlich.

 

Lichtwolf: Was halten Sie von der Idee eines Betriebsphilosophen, der in Ergänzung zum Betriebspsychologen sich mit den Mitarbeitern unterhält, zum Beispiel aus „Sein und Zeit“ oder Marcuses „Der eindimensionale Mensch“ vorliest?

 

Herr Gräber: Die Frage kann ich nicht qualifiziert beantworten. Ich bin

Personalverantwortlicher in einer vertriebseigenen Niederlassung, wie gesagt mit 300 Mitarbeitern und äh…

 

Lichtwolf: …die sind philosophisch nicht interessiert?

 

Herr Gräber: Das möchte ich jetzt nicht sagen, daß die nicht interessiert sind. Aber das kann sich ein Unternehmen auch einfach nicht leisten, sowas hauptamtlich, also Psychologie und Philosophie, zu besetzen.

 

Lichtwolf: (erstaunt) Ach so, Sie haben auch keinen Betriebspsychologen?

 

Herr Gräber: Es gibt in der großen Organisation, in der DaimlerChrysler AG, mit Sicherheit konzernweit beide Felder belegt, ganz klar.

Lichtwolf: Also auch einen Betriebsphilosophen?

 

Herr Gräber: Ja, natürlich, natürlich.

 

Lichtwolf: Das findet dann wahrscheinlich auf einer übergeordneten Ebene statt.

 

Herr Gräber: Natürlich.

 

Lichtwolf: Gut. Dann habe ich soweit keine Fragen mehr. Ich bedanke mich ganz herzlich.

 

Herr Gräber: Bitte schön, ich hoffe, daß war einigermaßen qualifiziert.

 

Lichtwolf: Das war, äh… Ich, hm…

 

Dieses Dossier kostet im Gegensatz zu denen von Spiegel Online nichts und enthält folgendes:

heads and hands 2004 – Der Bericht

Interviews:

heads and hands 2004 – Fotogalerie

Einladung zum de-qualification Wochenendseminar des Lichtwolf (PDF-Datei, ungefähr 42,8KB groß)

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