Pöltl for Präsident

von Timotheus Schneidegger, 14.02.2004, 19:38 Uhr (Dunkles Zeitalter)

2004 ist als großes Wahljahr proklamiert. In Weil am Rhein wird der Kreistag gewählt, sofern sich genug Faschingsleichen vor einen Wahlkampffotografen und nachher an die Urnen schleppen können, die USA haben im November die Wahl zwischen Not und Elend, sofern al Kaida nicht mit einer Sprengung des ganzen Kontinents dazwischenfunkt – überall wird Kreuzchen gemacht. Nahezu unbemerkt von der Tortendiagramm-Vorfreude bahnt sich in den Alpen eine Wahlschlacht von biblischen Dimensionen an.

Während die wahlberechtigte deutsche Drecksplebs dazu verdammt ist, weiterhin Latte Spackiato schlürfend abzuwarten, was sich im Mai hinter den verrammelten Türen und Köpfen der moralischen Jauchegrube namens Reichstag unglückliches für die hiesige BuPrä-Wahl zusammenbraut, hat der Österreicher sein politisches Schicksal selbst in der Hand – und die für den richtigen Kandidaten ins Feuer zu legen wird allernorts in der ehemals k.u.k. Sissi-Republik zur Zeit gefordert. Denn deren BuPrä hat – im Gegensatz zu unsrem, das muß man wissen – richtig was zu sagen: Er kann sich – wäre er ganz crazy drauf – aus der Nationalversammlung irgendwen picken und den zum Bundeskanzler machen, ganz wie er will. Bislang lief das alles nur deshalb so ewig gleich, weil der BuPrä entweder rot oder schwarz und entsprechend wählerisch war. Doch es kandidiert jetzt einer, von dem anzunehmen ist, er werde seine zukünftige Staatslenkungsgewalt zur Freude ausländischer Medien jenseits aller Schmerzgrenzen ausnutzen. Der Name des Aufrührers: Wolfgang Pöltl.

Mit Pöltl hat Österreich einen Mann aus dem Volk, wählbar sowohl für den stubenreinen Katholiken wie für den bierschwitzenden Arbeitersohn. Die leicht lesbare Vita Pöltls beweist, welch integre Lichtgestalt sich da den Österreichischern als ihr höchster Diener anbietet:

Volksschule in Eibiswald. Gymnasium in Graz. Barpianist in Hamburg. DJ in Tirol. Künstlervermittler in Spanien. Entertainer in Spanien. Rückkehr nach Österreich. Gründung und internationaler Aufbau eines Callcenters. Direktor des internationalen Callcenters European Callcentre LTD [sic]. Ist als Unternehmer sehr erfolgfreich [sic].

Derart den Musen verpflichtete Politiker sind wir sonst nur aus Frankreich gewohnt (Giscard, Napoleon, davon inspiriert: O. Lafontaine), das die deutsche Okkupation damals mit Postmoderne und Dekonstruktivismus vergolten hat. Selbstverständlich ist Pöltl kein solcher dummschwätzender Nihilist, sondern ein Mann, der sein Glück zu finden weiß. Er ist auch kein Politiker, sondern ein Volkstribun, wie anders sollten die Worte zu verstehen sein, die dem unschuldigen Weltnetzsurfer unter www.bundespraesidentenwahl.at als Pöltl-Parolen übergroß entgegenschlagen:

Politiker gegen Wahlausgang machtlos!
Das Volk hat es in der Hand!
Der nächste Bundespräsident soll aus dem Volk kommen!
Das Volk entscheidet durch die Wahl direkt!
Angst der Parteien und Medien vor einem Bundespräsidenten aus dem Volk offenbar groß!
Wahl eines Mannes aus dem Volk – die Freunderlwirtschaft zwischen Hofburg und Regierung wäre damit vorbei!
Dass Politiker offenbar nichts zustande bringen, haben sie bewiesen! Jetzt auch noch ein Politiker in der Hofburg? NEIN, DANKE!

Die aristotelische Staatslehre unterscheidet fehlerhafte Verfassungen (Tyrannis, Oligarchie, Pöbelherrschaft, BRD) von den dem Gemeinwohl und der Sittlichkeit dienenden wie Monarchie, Aristokratie und – in Bälde: Pöltlkratie.

Wolfgang Pöltl

(Quelle: www.bundespraesidentenwahl.at)

Der Wahlkampf des angehenden Alpenpräsis, der den Spagat zwischen politischem Amt und apolitischer Volkstümlichkeit mühelos zu bewältigen trachtet, besteht nicht nur darin, sich schon vor Monaten die wichtigste Internetadresse unter den Nagel gerissen zu haben, sondern zu einem guten Teil auch daraus, ständig Mitteilungen an junge Pressedienste zu verschicken.

Und wenn Pöltl nicht gerade mit angemieteter Blondie-Schickse den Grazer (!) Opernball heimsucht, um sich mit den einstmals aus dem Dekolltee schimmernden goldenen Kugeln von Ö-Außenministerin Ferrero-Roché über ihre möglicherweise gemeinsame parlamentarische Zukunft nach der Wahl zu unterhalten, rettet er die Welt:

Im März 2003 kutschiert er zusammen mit Tankwart Berger in dessem Porsche und in einem Ferrari mit scharfer Tussnelda irgendwelche Blagen, die das wohl nötig haben, über die Serpentinen. Tue Gutes und sprich darüber, in diesem Sinne war diese endlich mal volksnahe Wahlkampfaktion, die ihm die Stimmen der minderjährigen Waisenkinder und ihrer Eltern sichern dürfte, denn auch eine bombastische Pressemeldung wert, der u.a. zu entnehmen ist: „Zur Sicherheit der Kinder fuhren die Fahrzeuge mit Begleitung einer Gendarmerie-Funkstreife, welche diese Aktion sehr gerne unterstützte!

Das Ausrufezeichen drückt aus, welch oktanreiche Glückseligkeit Pöltl da in die trüben Tassen von Aushilfsbullerei und Kinderheim gebrummt haben wird.

Man ginge jedoch gänzlich fehl in der Annahme, Pöltls Wesen sei noch immer ganz der Animierkasper, den er damals in Tiroler ClubMed-Barracken von der Leine gelassen hat: Er kann auch knallhart sein. Im April vergangenen Jahres ermittelt er ganz auf sich alleine gestellt in einem grauenhaften Mißbrauchsfall.

Es spricht die Herzrasen verursachende Pressemeldung in ihrer ganzen schaurig-schönen Pracht:

POLIZISTIN sucht Sexabenteuer per Sex-Hotline! Anzeige erstattet!
Bundespräsidentschaftsbewerber 2004 Wolfgang Pöltl deckt auf
Graz/Österreich – In der Kronenzeitung vom 28.4.2003 erscheint auf Seite 34 das Inserat „Polizistin sucht Sexabenteuer 0930/ 401 499 (0,03 Euro/Min)“
Bei Anruf unter dieser Mehrwertnummer hebt eine Dame ab und bestätigt, dass sie eine Polizistin aus Wien sei! Sie würde am Telefonat fast nichts verdienen, sie müsse fast eben soviel bezahlen wie der Anrufer! Wolfgang Pöltl, Chef einer der größten Flirt-Lines in Österreich und Bundespräsidentschaftsbewerber 2004, hat ermitteln lassen und deckt diesen Skandal nun auf! Wenn es sich in Wahrheit um keine „echte“ Polizistin handelt, liegt hier der Verdacht des gewerbsmäßig schweren Betruges, der Amtsanmaßung, der Täuschung etc. vor. Sollte es sich tatsächlich um eine Polizistin handeln, ist das Innenministerium gefordert, sofort einzuschreiten! Weiters beträgt der wahre Tarif nicht 0,03 Euro/sec. das wären 1,81 €/min sondern 2,17€ /min! Wolfgang Pöltl erstattete bereits Anzeige bei der STA und beim Innenministerium.

Es ist – allen Meriten zum Trotz – fraglich, ob unser Johannes Rau (oder ein Prädezessor) die Supermann-Robe übergeworfen hätte, um den Telefonsex-Skandal einer jungen Frau, die kein Geld hat aber trotzdem/deswegen Polizistin/Polizeidoublette ist, bzw. Röchelfernsprechtante geworden/gewesen ist/war aufzudecken. Ganz zu schweigen vom gerechten Zweifel daran, ob sich seine Rechenkünste in ähnlichen Sphären der aufklärerischen, nachgerade kantischen Praxis bewegen wie bewiesenermaßen die Pöltls.

Ja, was hat Johannes I. eigentlich dem (deutschen) Vaterland Gutes getan gleich dem hl. Telefonunternehmer Pöltl, um sich die Wählergunst zu erwerben – nein, bei uns geht das ja nicht direkt; also um im Volk die nötige Toleranz oder Gleichgültigkeit zu erzeugen, die das Schloß Bellevue nach seinem Amtsantritt frei von revoltierenden Massen hielt?

Eben. Pöltl wäre der primus inter pares, sein Sieg die Rückkehr des Geistes auf einen europäischen Thron!

Älter als 35, unbescholten, großzügig, rechtschaffen – und nachdenklich, so ist er auch, der sympathische Amtsbewerber Pöltl. Seine Verurteilung des Landsmanns Schwarzenegger, der vor lauter Steuern Senken nicht zum Bearbeiten von Begnadigungsersuchen kommt, atmet den stoischen Geist der vom Kaiserphilosophen Marcus Aurelius angestellten auch gegen sich und das seine schonungslosen Selbstbetrachtungen: „Einer, der in der Heimat nichts zustande gebracht hat, zeigt nun in der Ferne seine Macht. Arm, Herr Schwarzenegger.

Dabei die himmelschreiende Ungerechtigkeit, mit der noch nicht einmal Testbildproduzent ORF die Kunde von der Kandidatur des spritzigen Entrepreneurs in die ganze Welt tragen will! Wahrhaft russische Verhältnisse, die Pöltl sich nicht scheut, offen anzuklagen, dieser Unerschrockene, der mit Don Quijotischem Mut der Verzweiflung um sein Recht auf die gleiche sonntägliche Pressestunde kämpft, die den eine Konfrontation mit ihm aus guten Gründen scheuenden Kandidaten der beiden Großparteien in vorauseilendem Gehorsam vom Sender zugestanden wurde, obwohl da – Pöltl moniert diese Formalie mit Fug! – noch keiner der beiden seine 6000 zur Kandidatur nötigen Unterschriften beisammen hatte, also gar kein ernsthafter Bewerber sein konnte!

Nein, da soll man nicht spotten oder gar einen Vergleich mit Westerwelles menage a trois-gierigem Gequengel im Vorfeld des deutschen Kanzlerduells ziehen! Pöltl nämlich ist, im Gegensatz zu den fallsüchtigen Liberalen, konsequent und ruft die OSZE zur Wahlbeobachtung, behält sich gar eine Wahlanfechtung vor – das soll der Russe erstmal nachmachen!

Die gesellschaftliche Ödnis Österreichs vermag es immer wieder, die sonderbarsten Akteure in ihr politisches Feld zu gebähren, die sich auch noch namentlich, von Hitler abgesehen, als solche auszeichnen und nicht nur anstatt Schröder-Fischer-Schmidt so illustre IQ-Test-Wortpaare wie Klima-Schüssel ergeben, sondern eben auch Herrn wie Pöltl, dessen Familienname Anagramliebhabern frohsinndurchwirkte Stunden beschert, und der wie Hitler-Haider-Hussein in einer ganz schön zweischneidigen Politiktradition steht, die uns abgeht, wohl weil sie eher vom Sauerstoff verschonter Hirne wie denen der Alpenbewohner bedarf.

Ein spannendes Wahljahr steht Österreich bevor. Bleibt die müde Hoffnung zu pflegen, daß die deutsche Präsi-Wahl in ihrem Vorfeld ähnlich anregend und bunt aufblühen möge.

Wolfgang Pöltl braucht bis zum 2.März 6000 Unterstützungserklärungen um für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren zu können! Wer näheres über ihn erfahren möchte, ruft ihn unter 0043/664/1401616 an. Er freut sich darauf, nicht nur als Callcenter-Fritze, sondern als Mensch, als Mann aus dem Volk.

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