Von der Zuneigung

von Thorbjörn Halvdason, 27.02.2003, 10:26 Uhr (Dunkles Zeitalter)

Ja, auch Wölfe, die grauen Geister der Wälder und Steppen, suchen sich Gefährten, trotz spitzer Zähne und Blutgeruch im Atem. Genauer gesagt leben sie sogar im Rudel (bis auf ein paar Ausnahmen, aber von denen soll jetzt hier nicht die Rede sein). Wie ist dieser Drang zu erklären, sich mit anderen Individuen zusammenzutun und eine Gemeinschalt zu bilden, unter welchen Konditionen auch immer? Das vordergründige Ziel einer solchen Fusion von bluttriefenden Bestien könnte sein, die Kräfte zu bündeln. Gemeinsam ist man schließlich stärker als allein und die großen Beutetiere können leichter und vor allem ökonomischer zur Strecke gebracht werden (allerdings stellt sich dann das Problem der Aufteilung des Kadavers, wobei eine Rangordnung unverzichtbar ist). Diese Leistung erfordert jedoch bereits ein hohes Maß an Gemeinschaft. Überhaupt können die Annehmlichkeiten einer solchen Individuenstruktur niemals der Grund für ihre Entstehung sein, denn von den Vorzügen des Zusammenlebens konnten die Biester ja vorher nichts wissen.

Raubtiere handeln zwar scheinbar rational, aber nur deshalb weil die Gesetzmäßigkeiten, denen sie folgen, einer strengen Logik unterliegen. Die Initialzündung dieser Entwicklung des Zuneigens liegt jedoch ganz woanders, im Transzendentalen.

Darum heule auch ich alle vier Wochen den Mond an und werde im Frühling ganz wuschig! Nein, nicht was Du jetzt wieder denkst. Es stimmt ja, Kopulieren macht Spaß und hat auch noch den Nebeneffekt, dass die Art erhalten wird, schön und gut.

Es stimmt auch, dass diese Regungen Urtriebe sind, die ganz tief in unserer lustgesteuerten Seele wurzeln. Doch das sind alles nur Impulse, Nebenprodukte, Splitter des einen großen Knalls, dessen Nachwehen immer noch jede einzelne meiner und deiner Zellen in Aufruhz versetzen. Dieser Motor der ganzen Welt, die große Mutter der Zuneigung, die Liebe. Sie ist die einzige, die immerwährende Herausforderung, die unsere durchtrabte, abgegraste und verspaßte Welt noch zu bieten hat.

Schon so ein langhaariger Jude hat vor ungefähr 2000 Jahren die Tragweite dieser Herausforderung erkannt und in das prägnante Streichelwort zusanmengefasst: „Liebe Deinen Nächsten!“

Ja, hast Du das schon mal versucht? Dann weist du ja auch, wie schwer das ist. Für Otto-Normalwolf ist das sowieso unmöglich. Für solche Wesen, die dieser Anforderung nicht gewachsen sind, lautet die Grundregel der Wahl: Hass!

Dieser berauschende Hormoncocktail ist die destruktive Seite der Liebe. Sein einziger Fehler liegt darin, dass er nicht wirklich konstruktive Folgen zeitigt. Also ist er der Treibstoff der Wahl für verirrte Seelen, die den Schuß nicht gehört haben. Den einen Startschuß für das ewige Rennen um Verbrüderung und Verschmelzung mit den anderen Vertretern Deiner Spezies. Darum werde ich weiter jaulen und hoffen, dass mich hin und wieder jemand er-hört: „Lasst uns zusammen jagen!“ –

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